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ist Wollust Sünde ?


Ba****

Empfohlener Beitrag

Geschrieben

darf ich Euch darum bitten, die privaten Auseinandersetzungen per PN oder in einem eigenen Thread auszutragen?
Das Thema hier ist ein anderes.
vielen Dank
Oliver


Geschrieben (bearbeitet)

Also frag ich mal ganz dreist in den Raum:

Warum - for heavens sake - sollte man gerade einer repressiven, lustfeindlichen, doppelbödigen, sadistischen und menschenverachtenden Religionsmoral folgen, wenn es da weit aus lebens- und lustbejahendere, freundliche Alternativen gibt?



Weil's geil ist, was verbotenes zu tun!

Ich finde allerdings, daß Du es Dir ein wenig zu einfach machst, wenn Du Islam und Christentum als patriarchalische und andere, lustfreundlichere (Natur-?) Religionen als matriarchalische Religionen klassifizierst. Tatsächlich gab und gibt es sehr patriarchalische, lustbetonte Religionen, und tatsächlich haben sowohl Christentum als auch Islam starke emanzipatorische Aspekte. Für das Christentum möchte ich mal die Geschichte von der Ehebrecherin ("Wer von euch ist ohne Sünde, der werfe den ersten Stein!") und die Figur der Maria Magdalena ins Felde führen, für den Islam den Entwurf eines damals revolutionären, beinahe modernen Scheidungsrechts.
Konterkariert werden diese Aspekte aber bis heute durch archaische Ehrbegriffe, die tatsächlich vorchristlichen bzw. vorislamischen Ursprungs sind. Diesbezüglich ist auch die Beschränkung des Priesteramts auf Männer wenig hilfreich.


bearbeitet von Gelöschter Benutzer
Geschrieben

Es ist spannend, wie schnell sich die Diskussion nun doch auf die Kirche gestürzt hat, obwohl das nicht Thema sein soll.



Der Begriff Sünde ist - in unserem Kulturkreis zumindest - eng mit der Kirche gekoppelt.
Nicht zuletzt, da die Kirche die Deutungshoheit beansprucht, was Sünde ist und was nicht.
Wenn Du die Kirche außen vor lassen willst, dann wäre eine andere Begrifflichkeit hilfreich. (moralisches) Fehlverhalten oder so ähnlich. Zudem assoziert das geschilderte Problem (Fremde Frauen anschauen und "unzüchtige Vorstellungen" entwickeln) eben die entsprechenden Bibelstellen.


Vielleicht wäre es klug, den Begriff Wollust zu definieren.



Gut dann versuche ich es mal mit dem Versuch einer Definition

Was ist Wolllust, "die schönste Todsünde"?
Neben dem Schönen gibt es bekanntlich das Wahre und das Gute. Aber die Wahrheit zu suchen, ist, wenn es sie denn überhaupt gibt, mühsam und würde hier sicher auch zu weit führen. Und das Gute zu tun, kostet oft Überwindung. Das Schöne bzw. das Angenehme (es geht ja hier nicht so sehr um das Objekt, sondern um das Gefühl), ist ein Ziel, das man ganz ohne philosophische Bildung oder sittliche Erziehung rein um seiner selbst willen verfolgen.

Wenn man den Mensch nicht (nur) als unsterbliche Seele, sondern als körperliches Wesen betrachtet, das zugleich Gemeinschaft mit anderen Menschen braucht (Herdentier), muss tatsächlich die Wollust, "das intensive Verlangen nach den Wonnen sexueller Aktivität", also das Schönse/Angenehme sein. Alle (nun gut die meisten ) Menschen streben von Natur aus nach Sex. So sagt es uns die Anthropologie.
Laut Kirche bleibt es trotzdem oder gerade deswegen Sünde . Und was wir empfinden, so wie es in Deinem Beitrag heraus kam, ist ein vages Schuldbewusstsein oder zumindest eine Sorge vor dem Urteil der anderen, die nicht meine maximierte Lust, sondern meine Worte und Taten loben.

Die Wollust hat eine schlechte Presse und gilt als als schwarzes Schaf neben ihren Geschwistern Liebe und Freundschaft. Doch solche Ausgrenzung räche sich. Die Sexualisierung der Kommerzkultur ist in Wahrheit die Kehrseite der Prüderie.
Warum ist das so? Die Ursprünge dieser Haltung liegen in der Tradition von Foucault und Nietzsche, in der abendländischen Verachtung sinnlicher Lust im Gegensatz zur Verehrung der verjüngenden und lebensspendenden Kräfte der Wollust im Osten.
Daher kommen IMHO auch der Hype für Tantra etc, der jüngeren Vergangenheit.

Die Tradition kann auf Jahrhunderte zurück blicken: Augustinus hat mit seiner Theologie der Erbsünde den Grundstein für die Lustfeindlichkeit des Abendlandes gelegt. Freud konnte sich sich keine gleichberechtigte weibliche Lust vorstellen. Und bei Kants Theorie der Ehe ist es nur gut, dass er es selbst nie ausprobiert hat ;o).
Bei Augustinus war es den Historikern zufolge nun so, dass platonische, manichäische, paulinische Momente zusammenkommen und dass die spätantike Gesellschaft Ohren für die Botschaft gehabt haben muss.

Im Prinzip ist doch diese Art von "Sexualmoral" nur Theater. Die Angst davor, dass der eigene Partner die Dinge so bereitwillig und so enthusiastisch tut, wie es den eignen Neigungen entspricht. Das ist aber nicht Moral und nicht Religion, das ist Besitzstandsdenken oder Neid. Ich will nicht, dass "meine" Partnerin das tut, was ich gern tun würde.
Meine Meinung dazu ist:
Solange niemandem ein Schaden daraus erwächst, ist das alles Privatsache. Wenn beide Partner sich einig sind, dann steht es auch sonst niemand zu über deren Sexualleben zu urteilen.
Das Natürliche zu tun ist nicht schlecht, man darf auch das Geistige nicht vergessen, aber man darf es auch nicht einfach der Natur überstülpen.
Auch als körperliche sind wir geistige Wesen. Es ist ja richtig und sinnvoll, dass der Gedanke der Sünde aus dem Gedanken der Selbstkontrolle hervorkommt. Aber
diese Selbstkontrolle und -beschränkung ist kein Selbstzweck., sondern die Konsequenz, dass der Mensch in allen seinem Tun derselbe bleibt und - zumindest und zuerst sich selbst gegenüber - rechenschaftspflichtig ist.


Was hat das alles mit Wollust als dem Begehren des Körpers nach sexueller Aktivität um ihrer selbst willen zu tun? Wir wollen Macht genießen oder uns erniedrigen, bewundert oder umsorgt werden. Wenn wir Sexualität zur Privatsache machen, dann auch deswegen, weil es einfach zu peinlich ist, in albernen Spielen oder abstrusen Posen beobachtet zu werden. Und es ist nicht peinlich, weil es Sünde ist. Es ist uns peinlich, weil wir vor anderen nicht und nicht einmal vor uns selbst zugeben wollen, dass unsere tiefsten Wünsche und Ängste uns als einen ganz anderen zeigen, als wir vorgeben zu sein. Und wenn man von Sünde spricht, dann liegt sie für mich da, wo man die natürlichste Sache nicht zum reinen Spaß aller Beteiligten betreibt, sondern um sich selbst da noch zu produzieren und anderen und sich selbst etwas vor zu machen.

Da wo ich Wollust nur zum Spaß aller Beteiligten (und damit meine ich die, die dabei sind und die die es nicht sind und im weiteren Sinne auch "beteiligt oder betroffen" sind) auslebe, kann ich keine Sünde erkennen. Nicht für mich.

Wenn das jemand Anders sieht, der damit nichts zu tun hat, dann ist das seine Meinung und die sei ihm gegönnt. Ich lass ihm seine Meinung, werd mir aber auch keine Moralvorstellungen von Leuten aufdrücken lassen, die das aus meiner Sicht nichts angeht.

Hm das ist mein Verständnis von Wollust... ob es eine "Definition" in Deinen Sinne ist Oliver musst Du entscheiden.

Gruß

Marc

P.S. Meine Oma sagte auch immer sie habe Woll-Lust, wenn sie was stricken wollte. Das ist wo(h)l-lustig, aber gehört nicht hier her


Geschrieben (bearbeitet)

[COLOR=blue]@Booty, natürlich kann man die Religion nicht völlig aussen vor lassen. Sie soll aber nicht so zentral hier diskutiert werden, wie @sexpot das gerade gemacht hat.[/COLOR]
Und ich denke, das Gebot (ob religös oder moral) keinem anderen zu schaden ist selbstverständlich.

Für mich ist Wollust mehr als nur gelebte Sexualität. Sie ist etwas, von dem man umgeben ist, wo man drin versinkt. Von dem man vielleicht eingefangen wird. Ich assoziiere Begriffe wie Ausschweifung, Orgie, Rausch...
Vielleicht ist es aber einfach nur eine Frage der Gewichtungen. Grade auch, weil ich relativ viel Zeit auf dieser Seite verbringe, aber genauso, weil ein Date z.B. einen Abend Zeit in Anspruch nimmt. D.h. wenn wir die Sexualität wollüstiger ausleben (mit anderen Partnern, an besondern Orten, ganz besonders zelebriert etc.) fehlt uns diese Zeit an anderer Stelle, z.B. um ein gutes Buch zu lesen, uns füreine besondere Sache zu engagieren, ein intensives Gespräch mit Freunden...
Es ist nicht so, dass unsere sexuellen Aktivitäten unser Leben dominieren oder wir in unserer Freizeit nichts anderes mehr machen oder zu nichts anderem mehr kommen. Aber man kann eben nur das eine oder das andere machen.

Nachtrag

ist ein vages Schuldbewusstsein oder zumindest eine Sorge vor dem Urteil der anderen, die nicht meine maximierte Lust, sondern meine Worte und Taten loben.

ich kann Deiner Definition ganz gut folgen. Aber es geht ebennicht um das Urteil der anderen, sondern um mein eigenes Urteil über mich. Und vielleicht auch um mein Menschenbild, das für mich das Streben nach Wissen und Erkenntnis (wie Du sie z.B. gerade uns zuteil werden lässt), aber auch das Streben danach, gutes zu tun enthält.
Ich glaube auch, dass die in fast allen Religion und auch in der Philosophie vorhandene Forderung nach (zeitweiser) Askese / Enthaltung / Fasten etc. nicht ohne Grund dort zu finden ist.


bearbeitet von BabetteOliver
Geschrieben

[COLOR=blue][/COLOR]
Vielleicht ist es aber einfach nur eine Frage der Gewichtungen. Grade auch, weil ich relativ viel Zeit auf dieser Seite verbringe, aber genauso, weil ein Date z.B. einen Abend Zeit in Anspruch nimmt. D.h. wenn wir die Sexualität wollüstiger ausleben (mit anderen Partnern, an besondern Orten, ganz besonders zelebriert etc.) fehlt uns diese Zeit an anderer Stelle, z.B. um ein gutes Buch zu lesen, uns füreine besondere Sache zu engagieren, ein intensives Gespräch mit Freunden...



Es ist doch egal, was wir machen... in dieser Zeit fehlt uns immer die Zeit, etwas anderes zu tun. Ich denke da an die verschwendeten 8 Std täglich auf der Arbeit... *seufz*

Ich sehe das so... es gibt die Zeit für wollüstigen, orgastischen Sex und es gibt die Zeit für ein gutes Buch oder ein schönes Gespräch. Eben alles zu seiner Zeit. Und wenn ich DEN Sex schlechthin habe, dann fällt es mir persönlich nicht schwer, das Buch noch ein Weilchen liegen zu lassen Solange Du das, was Du in dem Augenblick tust, genießt und Dir nicht während des Sex wünschst, Du würdest lieber das Buch weiterlesen, ist es doch genau das Richtige...


Geschrieben

Wenn du ein Buch liest, hast bestenfalls du selbst eine Bereicherung erfahren. Wenn du Teil einer Orgie warst, bei der alle Beteiligten extremen Genuss erfahren haben, profitierten vermutlich mehrere Menschen von deinem Handeln! Dennoch wird es immer eine moralische Gratwanderung bleiben!


Geschrieben

BabetteOliver: Ich glaube auch, dass die in fast allen Religion und auch in der Philosophie vorhandene Forderung nach (zeitweiser) Askese / Enthaltung / Fasten etc. nicht ohne Grund dort zu finden ist.



RRRRRRRRRRRRRichtig! Und ich wollte eigentlich mit meinem Exkurs zur Lusthaltung matriarchaler Religionen keine Religionnsdiskussion lostreten, sondern untermauern, dass es sehr wohl auch eine sehr positive Definition der Wollust und Hingabe zur sexuellen Befriedigung gibt.

Aber es gibt eben auch den anderen Aspekt der Enthaltung, der interessanterweise wirklich allen Religionen und fast allen Philosophien gemein ist - ein deutlicher Hinweis, dass Sinnlichkeit und Spiritualität als zentrale Aspekte menschlichen Lebens gesehen werden.

Unser Problem scheint mir mehr zu sein, dass wir zu sehr der Ratio frönen und hierbei Sinnlichkeit und Spiritualität ganz einfach hinten über fallen. Kommt es dann tatsächlich mal zur Hinwendung an einen dieser Aspekte, dann mangels vorhandener Balance in eher hedonistischer Form (eben, wie wir auch die Unterwerfung unter die Ratio betreiben)

Natürlich kann man nur das eine oder das andere machen - aber es gibt ja noch eine zeitliche Abfolge, so dass Raum für alle Aspekte bleibt. Ich denke, dass Zeit das geringste Problem ist.


Geschrieben

@BabetteOliver:
OK, hast Recht, die Diskussion um die Kirche ist ein wenig OT und somit auch mein Beitrag. Dies blindwütige Schießen auf die Kirche ohne Berücksichtigung ihrer positiven zivilisatorischen Leistungen ruft halt immer meinen Widerspruchsgeist hervor.

Aber andererseits... was soll man Dir noch antworten? Wenn Du den Begriff "Sünde" in einem eher praktischen Sinne auffassen willst, dann machst Du im Prinzip ja alles richtig, jedenfalls sehe ich das so. Es ist doch alles bloß eine Frage der Balance, wenn etwas in Deinem Leben zuviel Zeit in Anspruch nimmt, geht das auf Kosten anderer, wichtiger Dinge. Wenn Du dir aber zu wenig Zeit für eine Sache nimmst, die in Dir positive Energien weckt, so geht das genauso auf Kosten der anderen Dinge. Und wie genau Deine Balance aussieht, kannst auch nur Du dir selbst beantworten.


Geschrieben (bearbeitet)

Ob man zu seinem Hauskreis geht oder eine Orgie besucht, sündig ist man ohnehin, wenn die Zeit sich nicht dem "religiösen Dienste" widmet. Schließlich hätte man diese Zeit für wertvolle soziale Projekte investieren, oder diesen Zeitraum mit Erwerbsarbeit verbringen und die Entlohnung karitativen Zwecken zukommen lassen können.
-Man kann die Kirche aber auch im Dorf lassen.

Geschickt wäre es, das gegenseitige Sakrament der vollziehenden Ehe, gemäß seiner christlichen Mitverantwortung gegenüber seinem Nächsten, auf einen erweiterten Familienbegriff umzudeuten. (nichtinzestiös selbstverständlich)


bearbeitet von 0815Erwin
orth
Geschrieben

Bonsoir meine süßen,

ich melde mich auch mal wieder...

Also Sünde???

Wollust???

Von mir ganz klar....

NEIN

Wollust ist eines der Dinge, die mich ausmachen

Die mich als Mensch erscheinen lassen

so wie viele andere... "Sünden"

Ich bin ein Mann

Ich bin ein Mensch

Ich habe Lust... und auch Wollust

Wenn jemand an Sünde glaubt... dann bin ich ein Sünder

Aber ich glaube nicht an Sünden

Adieu

Stylo


Geschrieben

Diese Worte

Wollust dann negativ ist, wenn sie auf Kosten Dritter ausgelebt wird.

finde ich schon passend und dabei fällt mir die gerade die Berichterstattung in den Medien über Missbrauch in Internaten, ob nun weltlich oder kirchlich, ein.


Ansonsten ist meiner Meinung nach die Lust an der Wollust etwas das unser Leben bereichert wenn wir diese gemeinsam auf freiwilliger Basis mit den jeweiligen Partnern genießen, egal ob nun zu zweit oder in Gruppen.

Das ausleben der Lust mit uns selbst mit einem Kopfkino zb. kann sehr wohl Wollüstig sein, jedoch ohne dritte zu schädigen. Dazu zählen für mich auch alle Fantasien die ich und mein Partner haben können.

Wenn jemand sehr streng religiös erzogen wurde kann es schon dazu führen das Lust/Wollust als Sünde angesehen wird und diese Menschen sich vielleicht nie frei zu ihrer Lust bekennen können weil sie das **Fegefeuer** fürchten und deswegen lieber ein Leben ohne Sex vorziehen oder ihre Sexualität nur dann zulassen wenn es um die Fortpflanzung geht.


Geschrieben

Es ist spannend, wie schnell sich die Diskussion nun doch auf die Kirche gestürzt hat, obwohl das nicht Thema sein soll.

Das ist bei Deiner Fragestellung aber fast unvermeidlich. Schließlich sind wir alle kulturell und moralisch durch die christlichen Kirchen geprägt.
Sexuelle Unterdrückung war in ihren unterschiedlichsten Ausprägungen schon immer ein Mittel zum Macherwerb und Machterhalt, so auch zur Festigung der weltlichen Macht patriarchalisch geprägter Kirchen.
Zur Unterdrückung der Menschheit gehört eben auch das Bild eines Gottes, der den Menschen weltliche Genüsse verbietet, sie zur Askese zwingt und auf ein Himmelreich vertröstet.
Als einem der größten weltlichen Genüsse bietet sich daher die Sexualität, bzw. ihr Verbot als Mittel zur Unterdrückung an. Daraus leiten sich heute noch sehr viele unserer gesellschaftlichen Moralbegriffe ab.

So verbeitet es das moralisch Empfinden auch eines nicht religiösen Menschen, das Weib seines nächsten zu begehren, obwohl er damit weder dem reizvollen, begehrenswerten Weibe, noch dem berechtigten "Besitzerstolz" seines Nächsten gerecht wird.

Er "sündigt" nicht erst dann, wenn er versucht, seine Lust auszuleben, sondern bereits dann, wenn er bereit ist Lust zu wollen.


Geschrieben

Zur Unterdrückung der Menschheit gehört eben auch das Bild eines Gottes, der den Menschen weltliche Genüsse verbietet, sie zur Askese zwingt und auf ein Himmelreich vertröstet.

funktiert die Gegenthese ? Würde die Ausrichtung der Menschen auf eine möglichst freie Sexualität und ihrer unbegrenzten Hingabe an die Lust die Menschen freier und glücklicher machen?
Warum (ich hatte es oben schon angesprochen) fordern fast alle Religionen (auch die lustfreundlichen) wenigestens eine zeitweise Askese? Warum wird diese Ansicht auch in vielen philisophischen Ansätzen geteilt?

Wieso haben viele Menschen das innere Streben, der z.B. etwas bleibendes zu hinterlassen? Ich kenne dieses Gefühl. Ich möchte in der Welt etwas bewegen, etwas gestalten. Und wenn einem das gelingt, ist man zufrieden. Widerspricht das nicht einer grenzenlosen Hingabe an den Genuss?


Geschrieben

Für mich bedeutet Askese soviel wie, sich Zeit zu nehmen, um sich mit sich selbst auseinanderzusetzen. Der Verzicht auf Ablenkungen, geistige und körperliche Genüsse, das "stumpfe" Sein, ohne sich mit "Glücklichmachern" jeglicher Art aus dem Alltag stehlen zu können.
Askese ist ein in-sich-hineinhören, die Konzentration auf das Wesentliche, das Minimale.

Ich halte das nicht für falsch und schon gar nicht für etwas schlechtes oder negatives - solange es eben freiwillig und aus eigenen Stücken geschieht. Wie ich schon sagte, es gibt die Zeit für Genüsse und es gibt die Zeit für so etwas wie Askese. Wann das im Leben geschieht, entscheidet jeder selbst. Ich glaube, dass der zeitweise Verzicht auf bestimmte Dinge die Wertschätzung derer erhöhen kann. Jeder, der schon mal eine Woche oder länger gefastet hat, weiß, wie sich ein Stück Obst oder ein Stück trockenes Brot danach auf den Gaumen auswirkt... wie intensiv man den Geschmack wahrnimmt, wie dankbar man für dieses Stück Nahrung ist. Und das sollte man sich immer mal wieder bewusst machen... finde ich.

Warum Menschen streben? Weil wir es können. Weil wir dafür gemacht sind. Weil wir uns entwickeln wollen, mehr wollen, Tag für Tag. Wäre dem nicht so, gäbe es keine Flugzeuge, keine Medikamente, keine Autos, kein gar nichts. Dann würden wir immer noch in Höhlen oder auf Bäumen hausen und in den Tag hineinleben.
Ob es der Hingabe an den Genuss widerspricht? Ich finde nicht... ich empfinde das Streben nach etwas Höherem durchaus als Genuss. Erst recht dann, wenn es mir gelingt. Gibt es einen größeren Genuss als die Zufriedenheit und das Glück, wenn man etwas wirklich schönes geschafft oder gar erschaffen hat? Es gibt auch so etwas wie geistigen Genuss... frag mal Künstler, die ein Buch geschrieben haben oder ein Lied komponiert, ein Bild gemalt, eine Figur aus Stein gehauen haben....


Geschrieben

Kannst du dir Menschen vorstellen, die nichts anderes tun, als ihrer Lust zu frönen? Wie lange hält man das durch? Irgendwann wird sich jeder Mensch fragen: War das alles? Sex ist gut und schön, aber es muss doch mehr geben! Tagein, tagaus Sex wird langweilig...

Wir sind keine Bonobos und wäre Sex unser einziger Lebensinhalt, würden wir wohl noch auf Bäumen leben (möglicherweise aber glücklicher...). Außerdem sind Menschen so, dass sie nur das schätzen, was sie nicht permanent im Überflüss haben. Wenn du ein Jahr lang gewungen wärst, täglich an einer Orgie teilzunehmen, meldest du dich hinterher vermutlich im Kloster an.


Geschrieben

funktiert die Gegenthese ? Würde die Ausrichtung der Menschen auf eine möglichst freie Sexualität und ihrer unbegrenzten Hingabe an die Lust die Menschen freier und glücklicher machen?
Warum (ich hatte es oben schon angesprochen) fordern fast alle Religionen (auch die lustfreundlichen) wenigestens eine zeitweise Askese? Warum wird diese Ansicht auch in vielen philisophischen Ansätzen geteilt?

Askese ist ja nichts schlechtes, so lange es freiwillig und zeitlich begrenzt ist.

Ob die Gegenthese funktioniert, kann ich nicht beantworten. Ich weiß aus eigener Beobachtung heraus nur, dass sexuell befriedigte Menschen insgesamt ausgeglichener sind.


Geschrieben

Oliver - bezogen auf Dein letztes Posting liegt für mich Dein Denkfehler darin, dass Du repressive Wertung bereits übernommen hast:

Widerspricht das nicht einer grenzenlosen Hingabe an den Genuss?



"Grenzenlose Hingabe an den Genuss" ist bereits eine wertende Definition. Allein schon der Wechsel zu "Hingabe an den Genuss" klingt schon weniger extrem - und wie wäre es dann erst mit "temporäre Hingabe an den Genuss"? Und siehe da, die Welt sieht sofort anders aus.

Wir sind denkende und fühlende Wesen und wir haben materielle und spirituelle Bedürfnisse. Und in der Tat ringen die Religionen und die Philosophien um nichts anderes als um das Finden der richtigen Balance.

Historischer Fakt ist, dass Monogamie und Patriarchat sich zeitgleich durchgesetzt haben und sich auf dieser Basis auch die patriarchalen Religionen entwickelten und Fakt ist, dass Wollust als Sünde erst in patriarchalen Religionen auftaucht.

Ohne Monogamie kein Patriarchat, ohne Lustfeindlichkeit keine Monogamie! (Wobei - und auch hier hilft die Geschichte, die Ideologie zu entlarven, das Monogamiegebot primär der Frau galt, nicht dem Mann: denn die Bastardzeugung war nicht nur weltlich, sondern auch kirchlich bis in die Zeit der bürgerlichen Revolutionen legalisiert und toleriert.) Die monogame "Nutzung" der Frau war der wesentliche Anspruch, den es durchzusetzen galt, da die gesamten Eigentumsverhältnisse und damit auch Machtverhältnisse darauf aufbauten.

Anders formuliert: Wenn es um die Balance der verschiedenen Aspekte unseres Menschseins geht, ist die Sündigerklärung der Wollust eines der am wenigsten tauglichen Mittel, um diese zu finden.


Geschrieben

Aus meiner Sicht ist es keine Sünde, sondern eine Triebfeder der Menschen und äußerst nützlich!


Geschrieben

[COLOR=blue]@Booty, ich glaube, wir sehen die Welt sehr ähnlich. Das Problem bei dem Genuss, der aus dem Streben des Menschen erwächst, z.B. den der Schriftsteller empfindet, ist die Tatsache, dass dieser Genuss keine Wollust ist. Denn die ist einzig auf Sexualität gerichtet. (da hatte ich schlampig formuliert und nur von "Genuss" geschrieben) [/COLOR]
Bleibt also doch die Frage, ob die Hingabe zur Wollust nicht im Gegensatz zu anderen menschlichen Eigenschaften steht. Denn auch die folgenden Beiträge haben den Sinn der Askese bestätigt. Unter der Vorgabe freiwillig - aber wenn der (zeitweise) Verzicht auf etwas positiv ist, dann kann die Sache, auf die man verzichtet nicht grenzenlos positiv sein. Hat also auch schlechte Züge - also etwas sündhaftes.


"Grenzenlose Hingabe an den Genuss" ist bereits eine wertende Definition. Allein schon der Wechsel zu "Hingabe an den Genuss" klingt schon weniger extrem - und wie wäre es dann erst mit "temporäre Hingabe an den Genuss"? Und siehe da, die Welt sieht sofort anders aus.

das ist wieder die Frage nach der Definition der Wollust. Wobei Deine letzte Formulierung zwar deutlich positiver klingt, aber durch die zeitliche Einschränkung eben Grenzen aufweist - die die grenzenlose Hingabe nicht hat. Und genau die Grenzen werden durch Religion, Philisophie und Moral gefordert. Also hast Du Dich durch die andere Formulierung genau dem Begriff der Sünde unterworfen.

Wobei ja die Frage grenzenlos oder eingeschränkt wieder auf die Definitionsfrage führt. Ich habe auf einer Seite Namens "Basisreligion" folgende Argumentation zur Sündhaftigkeit der Wollust gefunden:
Wollust sieht nur die Begierden des Körpers losgelöst von menschlichen Beziehungen, und wer so mit anderen Menschen umgeht, darf sich über ihre Kälte nicht wundern. Wer einen anderen als Prostituierte behandelt, müsste eigentlich wissen, dass es dem Betreffenden nur um Geld geht. Daher ist Wollust mit Einsamkeit verbunden – und der einsame Mensch wird arrogant, neidisch, geizig und gleichzeitig unmäßig…

Die starke Ausrichtung auf die patriarchalichen Weltreligionen kann ich so nicht nachvollziehen. Buddismus und Hinduismus kennen zwar den Begriff der Sünde nicht (und können sich deshalb von diesen auch nicht reinigen). Aber trotzdem besteht das Streben nach Gott in den beiden Religionen aus Askese, Meditation, Yoga und anderen Entsagungstechniken. Damit ist Wollust dort zwar keine Sünde, bringt den Menschen aber Gott auch nicht näher, sondern nur die Entsagung der Wollust.


Geschrieben

@Oliver... nenn mir ein Buch aus der klassischen Weltliteratur, dass irgendwie ohne Sex, fleischliche Gelüste, Liebe (in die ich den Sex mit einbeziehe) auskommt. Das ist das doch immer DAS Thema gewesen... damals wie heute. Sex ist ein Grundbedürfnis wie Essen oder Trinken. Der Verzicht auf solche Grundbedürfnisse dient dazu, dieselben wieder neu schätzen zu lernen, was aber nicht heißt, dass sie überflüssig wären und weniger wichtig als die geistigen Genüsse. Und was das sündhafte betrifft... wie schon irgendjemand hier schrieb, ist weder Sex noch Essen an sich sündhaft... nur das Übermaß, das Unkontrollierte, das "wahllos durch die Gegend ficken" oder "hemmungslos Nahrung in sich reinfressen" (ich drücke das bewußt so harsch aus) ist weder gesund noch hat es irgendwas mit Genuß zu tun.

Wenn Du Wollust so definierst, wie Du es auf dieser Seite gefunden hast, im Sinne von rücksichtslosem, egoistischem Handeln, dann mag es Sünde sein... vor allem wahrscheinlich den jeweiligen Partnern gegenüber, die verletzt und benutzt werden.


Geschrieben

Das ist jetzt aber langsam verdammt dünnes Eis!

Dass Spiritualität als Voraussetzung für das "Sprechen mit den Göttern" gesehen wird und hierzu Entsagungstechniken gehören ist allen Religionen gemein. Aber keine Religion verlangt diese Spiritualität von ihren Anhängern, außer in eingeschränkten Formen wie Fastenzeiten o.ä. Von der Zielsetzung, Gott näher zu kommen, sprichst Du jetzt das erste Mal und führst damit ein qualitativ neues Ziel in die Diskussion ein.

Der gemeinsame Nenner der verschiedensten Religionen und Philosophien bleibt aber die Suche nach der Balance - und ob es Dir gefällt oder nicht: die Verdammung der Wollust geschieht nur in den patriarchalen Religionen - Der Buddhismus/Hinduismus kennt neben Meditation und Yoga auch Tantra und Kamasutra als lustbetonende und lustfördernde Techniken.

Richtig: es geht um ihre Definition! Da sie aber eine Erfindung der patriarchalen Religionen ist, kann ihre Definition per se nur parteilich sein: es ist eine Kreation, die Hingabe an sexuelle Leidenschaft als Ausschweifung, Sünde und Abfall vom rechten Weg zu geißeln.

Und ich frage ganz dreist:
Warum muss Wollust "grenzenlose Hingabe an den sexuellen Genuss" bedeuten? Weil sie Maßlosigkeit, Zügellosigkeit, Rücksichtslosigkeit, Verlust an Kontrolle und Selbstkontrolle implizieren soll.

Warum darf sie nicht einfach als "Hingabe an den sexuellen Genuss" eine gleichrangige Komponente meines Lebens sein, ebenso wie die Befriedigung intellektueller Bedürfnisse durch Kunst und Kultur, durch spirituelle Komponenten und soziale Aktivität?

Tatsächlich käme mir mein Leben bedeutend ärmer und trister vor, müsste ich auf eine dieser Komponenten verzichten und warum soll ich verbitterten alten Männern glauben, dass etwas Sünde sei, dass nicht einmal der Bibel entnommen ist, sondern Jahrhunderte später (nämlich erst 900 n. Chr. sukzessive beginnend von ihnen per päpstlichem Edikt eingeführt worden ist ? Zumal diese Männer nicht erst heute, sondern durch die gesamte Geschichte hindurch sich selbst nicht an dieses Gebot gehalten haben.

Ich habe nicht umsonst weiter vorn mit dem Wort "unreligiös" gearbeitet:

Die christliche Kirche erkennt den Agnostiker nicht an - es gibt nur den A-Theisten, die A-Moral, a- religiöse Menschen - wobei A für Anti steht und den Zirkelschluss zum Antichristen = Teufel zuläßt.

Dieser Kampf um die Definitionshoheit hat Methode - und eben auch bei der Definition von Wollust als grenzenlose Hingabe an den sexuellen Genuss.


Geschrieben

als erste Antwort - weil Wollust nicht mit Lust und Sexualität gleichzusetzen ist. So wie Gier nicht Streben ist und Völlerei nicht leckeres Essen....

später mehr


Geschrieben

Der Begriff Wollust leitet sich von Wohllust ab und bedeutet ursprünglich nichts anderes als "Lustgefühl" oder "etwas, das Freude bereitet" und war in keiner Weise negativ besetzt.

Die negative Bedeutung kam erst durch die katholische Kirche, die die Wollust als eines der sieben Hauptlaster definierte und "Hexen" verbrannte, weil sie angeblich der Wollust mit dem teufel gefrönt hätten.

Wollust ist also durchaus eine Sünde - und für einen Menschen, der die christliche Sozialethik ernst nimmt und deshalb mit der katholischen Kirche final gebrochen hat, ein rundum positiv besetztes Gefühl.


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