Der Transporter Teil 2

[CAT-IS-BACK]

Die Tür des Transporters schloss sich mit einem satten, endgültigen *Klick*.

Catta zuckte kaum merklich zusammen.

Drinnen roch es nach Leder, Parfum und etwas Metallischem. Zu sauber. Zu vorbereitet. Gedämpftes Licht tauchte den Innenraum in ein warmes, trügerisches Gold. Keine Fenster. Nur Sitzbänke an den Seiten – und Lina direkt gegenüber.

 

Zu nah.

 

„Entspann dich“, sagte Lina ruhig und streckte die Beine aus. Ihre Absätze glitten langsam über den Boden, absichtlich laut. „Wir haben gesagt: keine Gewalt.“

 

„Noch nicht“, murmelte Mara von der Seite und lehnte sich zurück, als würde sie das alles genießen. Ihre Augen ruhten auf Catta wie Hände.

Catta zwang sich, gerade zu sitzen. Ihr Herz raste, aber sie ließ es sich nicht anmerken. Sie wusste, wie Macht funktionierte. Sie hatte sie selbst oft genug gespürt – in Blicken, in Momenten, in dem kurzen Zögern anderer.

„Also“, sagte sie und hob das Kinn, „wir sind hier, weil ihr beleidigt seid?“

Jule lachte leise. „Nein. Wir sind hier, weil du uns unterschätzt hast.“

Der Transporter setzte sich in Bewegung. Sanft. Fast liebevoll.

Catta schluckte. „Wohin fahren wir?“

„Nicht weit“, antwortete Lina. „Nur weg von neugierigen Augen.“

Eine Kurve. Dann noch eine. Der Motor klang ruhig. Zu ruhig.

Catta spürte es – dieses Ziehen tief im Bauch. Angst, ja. Aber auch etwas anderes. Etwas Verbotenes. Der Nervenkitzel, den sie hasste und liebte.

Mara beugte sich vor. Ihr Duft umhüllte Catta sofort. Warm. Süß. Vertraut.

„Du weißt, warum Männer dir folgen“, sagte sie leise. „Warum sie dir zuhören. Warum sie vergessen, mit wem sie gekommen sind.“

 

Catta antwortete nicht.

 

„Du machst nichts“, fuhr Mara fort. „Und genau das ist es.“

Linas Finger trommelten langsam auf ihre Knie. Ein Rhythmus. Kontrolliert.

„Wir wollten wissen“, sagte sie ruhig, „ob du merkst, was du auslöst.“

 

Der Transporter hielt an.

 

Stille.

 

Dann ging die Seitentür auf.

 

Ein abgelegenes Haus. Alt. Dunkel. Nur ein Licht im oberen Stockwerk.

Catta stieg aus. Der Boden unter ihren Füßen fühlte sich stabil an. Das gab ihr Halt.

„Letzte Chance umzudrehen“, sagte sie.

Lina lächelte. „Du bist die Letzte, die das will.“

Drinnen war es warm. Zu warm. Jacken wurden abgelegt. Nähe entstand fast automatisch. Blicke trafen sich, hielten zu lange.

Catta spürte, wie sich die Dynamik verschob.

 

Nicht mehr Opfer.

 

Nicht mehr Jägerinnen.

 

Etwas anderes.

„Du hast Rache gesagt“, meinte Jule und trat näher. Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. „Ich frage mich nur…“

 

Sie ließ den Satz offen.

 

Catta trat einen Schritt vor. Langsam. Selbstbewusst. Ihre Stimme war ruhig, tief.

 

„Rache“, sagte sie, „muss nicht wehtun.“

 

Ein Atemzug. Mehrere.

 

Lina schloss die Tür hinter ihnen.

Und diesmal klickte das Schloss nicht wie eine Falle.

Sondern wie eine Einladung. 

Perfekt.

 

Das Haus atmete.

 

Nicht laut, nicht sichtbar – aber Catta spürte es, sobald die Tür hinter ihnen geschlossen war. Wärme, die sich um sie legte. Blicke, die nicht mehr auswichen.

 

Niemand sprach.

 

Lina stand mit dem Rücken zur Tür. Nicht als Wächterin. Eher wie jemand, der den Ausgang bewusst *nicht* versperrt – weil sie wusste, dass niemand ihn nutzen würde.

„Jetzt“, sagte sie ruhig, „sind wir ehrlich.“

Catta ließ den Blick über sie gleiten. Über Mara, die lässig an der Wand lehnte. Über Jule, die näher stand, als nötig gewesen wäre. Sie spürte deren Nähe wie Strom auf der Haut.

„Ehrlich?“ Catta lächelte schief. „Das hättet ihr auch ohne Nebel und Funkgerät haben können.“

Mara stieß sich von der Wand ab. Langsam. Bedacht.

„Nein“, sagte sie. „Dann hättest du wieder gelächelt. Uns entwaffnet. Und wir hätten nachgegeben.“

Sie trat in Cattas Raum. Nicht berührend. Aber so nah, dass Catta ihren Atem spürte.

 

„Jetzt kannst du das nicht.“

 

Catta spürte, wie ihr Puls sich veränderte. Nicht schneller. Tiefer.

„Oder“, sagte sie leise, „ihr glaubt nur, dass ich es nicht kann.“

 

Stille.

 

Dann ein leises Lachen von Jule. Nervös. Erwartungsvoll.

Lina drehte sich um. Ihre Stimme war weich, aber präzise. Wie ein Messer, das weiß, wo es schneidet.

„Du hast keine Ahnung, wie oft wir darüber gesprochen haben.“

Catta hob eine Augenbraue. „Über mich?“

„Über dich *und* uns“, korrigierte Lina. „Über das, was passiert, wenn du einen Raum betrittst. Wie du Nähe erzeugst, ohne sie zu geben.“

Sie trat näher. Blieb stehen. Zentimeter.

„Das macht wütend.“

Catta atmete langsam aus. Dann trat sie selbst einen Schritt vor.

 

Jetzt war es *ihre* Nähe.

 

„Oder hungrig.“

 

Man konnte hören, wie jemand schluckte.

Mara war die Erste, die sich bewegte. Sie griff nicht. Sie stellte sich hinter Catta. So, dass sie wusste, dass sie da war. Wärme im Rücken. Präsenz. Besitz, ohne Berührung.

„Du bist nicht hier, um uns zu bestrafen“, sagte Mara ruhig. „Und wir nicht, um dich zu brechen.“

Catta schloss kurz die Augen. Der Raum kippte.

„Nein“, sagte sie. „Ich bin hier, um zu entscheiden.“

Lina lächelte langsam. Kein Triumph. Anerkennung.

„Dann tu es.“

Ein einziger Schritt. Catta drehte sich – nicht weg, sondern *hinein*. Zwischen sie. Ihre Stimme war jetzt ruhig, kontrolliert. Tiefer als zuvor.

„Ihr wolltet Macht“, sagte sie. „Aber ihr habt sie nie wirklich genommen.“

Sie sah jede von ihnen an. Hielt die Blicke fest. Länger, als angenehm war.

„Ich gebe sie euch nicht. Ich teile sie.“

Ein Atemzug. Mehrere.

 

Gefährlich nah.

 

Jules Finger zuckten. Mara hielt still. Lina neigte minimal den Kopf – nicht als Unterwerfung, sondern als stilles Einverständnis.

 

„Und was ist der Preis?“, fragte Lina.

Catta lächelte. Kein Flirten mehr. Etwas Dunkleres.

„Dass wir morgen früh nicht mehr dieselben sind.“

Niemand widersprach.

Das Licht im Raum blieb gedimmt. Die Nacht draußen schwieg. Und irgendwo, ganz leise, wurde eine Grenze überschritten – nicht mit Händen, sondern mit Entscheidung.

Die Tür blieb geschlossen.

Nicht, weil sie es musste.

Sondern weil niemand mehr gehen wollte.

 

Danach

 

Am Morgen roch die Luft nach Regen.

Catta stand barfuß am Fenster des oberen Zimmers. Irgendwo draußen fuhr ein Auto vorbei, zu früh, zu laut. Die Welt hatte beschlossen, weiterzumachen, als wäre nichts geschehen.

Hinter ihr bewegte sich jemand. Leise. Kein hastiger Schritt, kein Anspruch. Nur Präsenz.

„Du gehst also“, sagte Lina schließlich.

Es war keine Frage.

Catta drehte sich nicht um. „Ja.“

Ein paar Sekunden vergingen. Dann: „Nicht sofort.“

Catta lächelte. Ein schmales, müdes Lächeln, das mehr wusste, als es zeigte.

„Nein“, sagte sie. „Aber alleine.“

Niemand widersprach.

Das war das Seltsame an dieser Nacht gewesen. Keine Versprechen. Keine Forderungen. Nur Entscheidungen, die getroffen und nicht erklärt wurden.

Als Catta die Treppe hinunterging, spürte sie Blicke in ihrem Rücken. Nicht begehrlich. Nicht feindlich. Wachsam. Respektvoll. Vielleicht ein wenig verändert.

 

An der Tür blieb sie stehen.

 

„Das hier“, sagte sie leise, ohne sich umzudrehen, „war kein Sieg.“

„Nein“, antwortete Mara. „Aber auch kein Verlust.“

Catta nickte einmal. Dann öffnete sie die Tür.

Draußen war der Nebel verschwunden.

Wochen später würde Lina manchmal an diese Nacht denken – an den Moment, in dem Macht nicht genommen, sondern erkannt wurde. Jule würde merken, dass Nähe anders schmeckte, seit sie wusste, wie gefährlich sie sein konnte. Und Mara würde lernen, dass Kontrolle manchmal darin lag, jemanden gehen zu lassen.

Catta aber würde nachts noch manchmal aufwachen, das Herz ruhig, den Körper wach.

Und sie würde wissen:

Nicht jede Tür, die sich schließt, sperrt ein.

Manche markieren nur den Punkt, an dem man beschlossen hat, sich nicht mehr zu erklären.

 

Ende.

 

 

 

[Ba****]

Tolle Geschichte. Hat mir sehr gut gefallen😘