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verfallen (2/10)


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Geschrieben

Benommen erwachte Monika aus einem festen Schlaf. Sie fühlte sich, als hätte sie mehrere Tage durchgeschlafen. Ihr Zeitgefühl war vollständig außer Kraft gesetzt. Wie lange hatte sie geschlafen und was genau ist eigentlich passiert? Sie konnte nicht einmal die Tageszeit bestimmen, weil die dunkelgrünen Vorhänge aus schwerem Brokatstoff vor dem Fenster sie kompromisslos von der Außenwelt abschotteten. Einzig daran, dass sie im Krankenhaus war, konnte sie sich noch erinnern. Und auch an Dr. Engel. Sie schaute sich noch eine Weile in dem Krankenzimmer um und stellte für sich fest, dass irgendetwas merkwürdig an diesem Raum war. „Na wer weiß, bestimmt wurde ich einfach nur mit reichlich Schmerzmitteln vollgepumpt und habe deshalb eine verzerrte Wahrnehmung. Aber ich könnte schon einen Whiskey oder so vertragen.“ gestand sie sich ein. „Aaah, mein Hals. Oh Mann, mir tut echt alles weh!“ Als sie bemerkte, dass sie gerade Selbstgespräche führte, hielt sie inne. Wie peinlich es wohl wäre, wenn jetzt jemand vom Krankenhaus-Personal das Zimmer betreten würde und mitbekäme, wie sie Selbstgespräche führte!

In dem Moment betrat tatsächlich ein Arzt das Zimmer. Ein leichtes Lächeln huschte über Monikas Gesicht, als sie das vertraute Gesicht sah. „Herr Dr. Engel.“ „Guten Morgen, Frau Neuhaus. Sie haben eine ganze Weile geschlafen, wie geht es Ihnen?“ „Ehrlich gesagt, nicht so gut. Alles tut mir weh. Was ist eigentlich genau passiert?“

„Im Krankenhaus habe ich gesagt, dass Sie einen Unfall hatten. Im Fernsehen war die Rede davon, dass ein Transporter auf ein Stauende gerast sei. Es tut mir leid, Ihnen sagen zu müssen, dass sie in einem der Fahrzeuge saßen. Sie wurden verletzt und sind jetzt bei mir. Meine Aufgabe ist es nun, mich um sie zu kümmern!“ Er war sehr nett, der Herr Dr. Engel. Ob ihn wohl das Schicksal zu einem Engel gemacht hat, indem es ihn Arzt werden ließ? „Dafür brauche ich allerdings ihre Mithilfe“ sprach er weiter.

„Ja“ antwortete sie, „ich will ja wieder auf die Beine kommen. Ich gebe mir Mühe, alles zu tun, was Sie von mir verlangen! Aber Moment mal, Sie sagten gerade, „im Krankenhaus“ hätten Sie zu mir gesagt… Wo bin ich denn jetzt?“ Dr. Engel ließ sich durch die von ihm verursachte Unsicherheit nicht aus der Ruhe bringen. Er wirkte noch immer sehr sachlich und gleichzeitig strahlte er ein unglaublich beeindruckendes Charisma aus. Anstatt ihr zu antworten, ging er kurz aus dem Zimmer, um wenige Augenblicke später mit einem Himmelbettchen wieder herein zu kommen. Beinahe lautlos rollte es über den Boden. Verwirrt darüber, was das Bettchen mit ihr zu tun haben könnte, wartete Monika wortlos auf eine Auflösung durch Dr. Engel. Er stellte das Bettchen direkt neben ihr Krankenbett, so dass sie dessen Inneres sehen konnte. Monika konnte es kaum fassen: Da lag tatsächlich ein Baby drin. Es war zuckersüß und schlief ganz friedlich. Schwer zu sagen, ob es ein Junge oder ein Mädchen war, die Farbe des Schlafsacks ließ jedenfalls beide Möglichkeiten offen.

In dem Bettchen fand sie außerdem einen sauber herausgeschnittenen Zeitungsausschnitt vom 07. November. Das könnte vielleicht gestern gewesen sein, dachte sie noch. Doch dann sprang ihr plötzlich die Überschrift des Artikels in die Augen: „Kleinkind aus Klinik entführt!“ Ihr lief es eiskalt den Rücken herunter, als sie das las. Mit flatternder Stimme fragte sie den Mann vor ihr, was das ganze sollte. Der beantwortete auch diese Frage nicht, sondern schob das Bettchen wieder behutsam nach draußen.

„Frau Neuhaus, offensichtlich verstecken Sie sich hinter einer Fassade, damit keiner erfährt, wer sie wirklich sind!“ Monika glaubte nun eine Veränderung in seiner Stimme wahrgenommen zu haben. Doch – eindeutig, sie war rauer als bisher. Und seine Miene verfestigte sich auch. Monika spürte deutlich, wie ihr ein ganz beklemmendes Gefühl die Brust zuschnürte. „Wie oft wollten Sie schon in ein neues Leben starten? Und wie oft hat das geklappt? Wie oft“, fragte er weiter, „haben Sie Ihre Kinder, Markus und Diana, in den letzten Jahren versetzt? Ihre Enkelin Nele – Haben Sie ihr
gestern zum Geburtstag gratuliert?“ „Woher wissen Sie…“ unterbrach sie ihn beinahe schreiend. Doch noch ehe sie es sich versah, schlug er sie fest mit der flachen Hand ins Gesicht. „Wenn du mich noch einmal unterbrichst, Miststück, dann bringe ich dich um!“ Monika glaubte sich gerade verhört zu haben. 1000 Gefühle schossen ihr gleichzeitig durch den Kopf. Ihr wurde sofort schwindlig. Sie wollte ihn anbrüllen, wegen der Ohrfeige. Spinnt der Kerl eigentlich? Was erlaubt der sich? Der Schmerz brannte wie Feuer auf Monikas Wange. Aber ihr stand zugleich die pure Angst ins Gesicht geschrieben. Dieser brutale Typ hat gerade gesagt, dass er sie umbringen wollte. Was sollte das ganze? Hatte sie gerade einen Albtraum? Anders konnte es kaum sein! Aber das war alles viel zu real für einen Traum.

„Ich weiß eine ganze Menge über dich, Monika. Ich kenne deine Familie, deinen Lebenslauf in allen Details, Ich kenne deinen Absturz vor 11 Jahren, als dein Mann gestorben ist und deine lächerlichen Versuche, wieder auf die Beine zu kommen!“ „Was wollen Sie von mir?“ fragte sie völlig verschüchtert. „Nun“, antwortete der Mann auf die Frage ausweichend, „ich gebe zu, auch ich habe dir eine andere Person vorgespielt. Wenn es dir ein Trost ist, mein Name ist tatsächlich Dr. Rainer Engel. Im Krankenhaus war ich allerdings nicht dein behandelnder Arzt.“ Jetzt wirkte Dr. Engel beinahe amüsiert darüber, dass Monika ihm auf den Leim gegangen war. „Ich bin ehrlich zu dir, Monika: „Das Schicksal hat dich zu mir geführt. Glaubst du an Fügungen des Schicksals?“ Eine Antwort wollte er offenbar nicht hören. Denn er fuhr direkt fort: „Dich wird hier keiner finden und ich darf dich freundlich an dein Versprechen von eben erinnern – daran, dass du alles machen wolltest, was ich von dir verlange. Tust du es nicht, wird der kleine Sonnenschein, den du gerade kennen gelernt hast, sterben!“ In dem Moment zog er die schweren Vorhänge beiseite, über dich sich Monika noch kurz zuvor gewundert hat. Dahinter verbarg sich nicht wie vermutet ein Fenster, sondern einfach nur eine Wand. Bei diesem Anblick schossen ihr die Tränen in die Augen. Sie wollte stark sein, keine Gefühle vor diesem Scheusal preisgeben, aber sie verfiel derartig in Panik, dass sie jämmerlich schluchzte.

Sie wollte noch immer wissen, warum er ausgerechnet ihr das antat, aber die Frage verließen nicht ihre Lippen. Als könnte er ihre Gedanken lesen, antwortete er dennoch: „Du wolltest immer wieder in ein – wie du es immer nett umschreibst – neues Leben starten. Bei mir wirst du die Möglichkeit auf ein neues Leben bekommen! Bedenke allein diese prickelnde Macht über Leben und Tod, die ich dir bezüglich unseres kleinen Sonnenscheins da draußen übertragen habe.“ Dabei deutete er mit dem Daumen über seine Schulter in Richtung des Flures. „Sie heißt übrigens Jacqueline – süß, oder? Und nun freu‘ dich einfach auf dein neues spannendes Leben!“ Damit ließ er sie in ihrem Zimmer allein zurück.

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