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verfallen (3/10)


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Geschrieben

Die Polizeibeamten Frank Oberkley und Jörg Riedel engagierten sich außerdienstlich noch beim Bonner Rettungsdienst. Für Familie war da natürlich wenig Zeit, aber es war den beiden Beamten stets ein großes Bedürfnis weit über den Dienst hinaus, anderen Menschen zu helfen. „Zu Hause würde ich ja auch nur das Pflaster in der Einfahrt kaputt treten!“ scherzte Jörg einmal auf die Frage von Bekannten, warum er so viel Energie in die Arbeit steckte.

Zu dem Unfall vom 07.11. auf der Meckenheimer Straße hatten beide Beamte auch einen Tag nach dem Unfall noch nicht alle Umstände in einem schlüssigen Gesamtbild zusammenfassen können. Obwohl es sich „nur“ um einen Auffahrunfall handelte, nahmen beide jedes noch so unbedeutende Detail genau unter die Lupe. Außer der Auswertung der Spuren mussten zahlreiche Zeugen noch einmal befragt werden. Die bisher erlangten Informationen stimmten teilweise überein, teilweise ergänzten sie sich, aber zum Teil widersprachen sie sich eben auch untereinander.

Als Frank gerade den Einsatzbericht verfasste, erinnerte er sich an die Situation vor Ort zurück. Sein Partner und er trafen noch vor dem Rettungsdienst vor Ort ein. Das wünschten sich die wenigsten Polizisten. Schon, als sie die Fahrzeugwracks sahen, glaubten die Beamten nicht daran, dass alle Insassen mit dem Leben davon kommen würden. Sie bereiteten sich innerlich schon auf das Schlimmste vor. Und als wäre ein derartiges Schreckens-Szenario noch nicht genug, erschwerten sensationsgeile Schaulustige die Arbeit zusätzlich. Aber dagegen konnte man nichts machen, das war schon in den letzten 13 Jahren, denen die beiden der „PI Nord Ost Kradgruppe“ angehörten, so. Es wird wohl auch immer so bleiben. Bei dem Unfall auf der Meckenheimer leistete zumindest ein Mann der bewusstlosen Frau, welche anscheinend den Opel fuhr, erste Hilfe.

In Momenten wie diesem wussten Frank und Jörg genau, warum sie sich nebenamtlich so stark einsetzten. Dabei war beiden vollkommen klar, dass sie in den Augen der Kollegen in der Dienststelle so etwas wie Helden waren, weil sie schon Menschen gerettet hatten, die für Viele dem sicheren Tod geweiht waren. Aber sie taten es tatsächlich nur der Hilfe wegen. Es war regelmäßig faszinierend, beide bei der Aufnahme eines großen Verkehrsunfalls zu beobachten. Denn sie gingen dann immer abgestimmt wie ein Uhrwerk vor und veranlassten äußerst professionell alle notwendigen Maßnahmen. Gestern übernahm Jörg die bewusstlose Frau und versorgte sie, bis der Rettungsdienst eintraf. Gleichzeitig nahm Frank die Personalien aller relevanten Zeugen auf und kümmerte sich bereits um die Bergung der schrottreifen Wracks. Ein weiterer Mann, welcher sich als Fahrer des Transporters ausgab, wurde nur leicht verletzt. Er bedurfte anscheinend keiner dringenden medizinischen Hilfe. Von den Rettungskräften erhielten der Ersthelfer und Jörg große Anerkennung, weil allein durch deren beider Einsatz die verletzte Frau zumindest nicht mehr in Lebensgefahr schwebte.

Heute, einen Tag nach dem Unfall, sollten im Krankenhaus vielleicht schon einige neue Informationen erlangt werden können. Idealerweise war die Fahrerin des Opel heute schon in der Lage, einige Fragen zu beantworten. Dort ging es jedoch immer noch sehr chaotisch zu. Der neu errichtete Anbau am Gebäudeteil E war vor kurzem fertig gestellt worden und wurde seit Anfang der Woche eingerichtet. Eigentlich sollte die Station schon nächste Woche in Betrieb gehen, aber die Baumaßnahmen hatten sich stark verzögert. Deshalb wurde nun mit Nachdruck daran gearbeitet, die verlorene Zeit zu minimieren.

Oberkley und Riedel mussten davon ausgehen, dass die Fahrerin des Opel noch auf der Intensivstation behandelt wurde. Nach den erlittenen Verletzungen gab’s da keine Zweifel. Umso mehr überraschte sie die Auskunft der Stationsschwester Silke, dass sie doch nicht mehr dort war. Wo sie jetzt stattdessen untergebracht wurde, konnte sie im Computer nicht einsehen. Am Empfang des Haupteingangs, welcher beinahe am anderen Ende des Klinikums lag, trafen die beiden schließlich auf Schwester Ulrike. „Sie hat sich noch gestern selbst aus dem Krankenhaus entlassen!“ Verwundert zogen die Beamten die Augenbrauen hoch. „Doch ehrlich, im Rechner sehe ich sogar noch den eingescannten Entlassungsbrief – Ist von ihr unterzeichnet! Das war 14:37 Uhr.“ „Meinen Sie, wir könnten einen Ausdruck davon bekommen?“ fragte Jörg höflich. „Naja,“ gab sich Schwester Ulrike zunächst skeptisch, „Sie wissen ja, haben wir ja auch datenschutzrechtliche Bestimmungen.“ Den Widerstand hielt sie dem sympathischen Beamten gegenüber allerdings nicht lange aufrecht und übergab den beiden schließlich doch einen Ausdruck. Dafür war ihr ein ehrliches Lächeln von Riedel sicher.

Als Oberkley und sein Kollege das Klinikum wieder verließen, sprach der eine aus, was der andere dachte: „Komisch, oder? Wer hätte das gedacht?“ „Tja, lieber so, als anders! Lass uns doch mal zu ihrer Wohnanschrift fahren. Vielleicht treffen wir sie dort an oder die Nachbarn können uns wenigstens etwas weiterhelfen!“ „Ja, gute Idee!“ stimmte Jörg zu.

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