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verfallen (6/10)


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Geschrieben

Diana war froh, dass die Polizei zu ihr nach Hause kam. Zwei sympathische Beamte – sie hießen Riedel und Oberkley – hatten sie als Tochter von Monika Neuhaus ausfindig gemacht und vorhin zu Hause besucht. Sie erklärten zunächst, was passiert war. Als Diana das hörte, überkamen sie wieder die Emotionen. Der Nachrichtenbeitrag, den sie an Nele’s Geburtstag im Fernsehen gesehen hatte, war plötzlich wieder total präsent.

Am 07. brach sie noch während der Geburtstagsfeier zu der Kaiser-Karl-Klinik auf, wo ihre Mutter angeblich behandelt wurde. Dort erfuhr sie allerdings nur, dass sie bereits wieder entlassen wurde. Ähnlich erklärten es ihr auch die Beamten. „Wir waren ebenfalls etwas überrascht, dass sie anscheinend nicht ernsthaft verletzt wurde. Ihr Schutzengel hat wohl seine Hausaufgaben gemacht.“ Kurze Pause, danach für Riedel fort: „Ich habe eine Kopie des Entlassungsbriefs aus dem Krankenhaus.“ Er übergab ihr das Dokument. „Ist das unten rechts ihre Unterschrift?“ wollte er weiter wissen. „Ja, das ist sie.“ gab sie zustimmend zurück.

Ihre Gedanken vorweggenommen, winkte Riedel ab: „Behalten Sie den Ausdruck, wir brauchen ihn nicht mehr. Aber wir haben noch ein paar Fragen an Ihre Mutter zum Unfallhergang. Können Sie uns denn sagen, wo sie sein könnte?“ „Naja, sie war gerade auf dem Weg in ihr – sie nannte es – neues Leben.“ „Was meinen Sie damit?“ fragte Oberkley interessiert. „Sie ist alkoholkrank, schon seit mehreren Jahren. Sie hat seit 2009 schon fünf Entziehungen versucht, aber bisher jede vorzeitig abgebrochen. Am dem Tag, als sie den Unfall hatte, war sie gerade wieder auf dem Weg zu einer Entziehung.“ Diana schämte sich nicht, als sie die Informationen über ihre Mutter preisgab. Sie war nur sehr traurig, weil sie ihre Mutter jedes Mal, so gut es ging, unterstützte. Und trotzdem kam ihre Mutter von dem Alkohol nicht los. Diana wünschte ihr einfach, dass sie den Absprung aus dem Teufelskreis endlich schaffen würde.

„Verstehe“, erwiderte Oberkley sachlich. „Wo wollte sie denn diese Therapie machen?“ „Genau kann ich es zur Zeit nicht sagen, da müsste ich erst nachschauen. Die Klink liegt irgendwo nördlich von Bonn. Aber ich hatte dort gleich, nachdem ich wieder vom Krankenhaus zurückkam, angerufen. Dort hieß es, dass sie noch nicht angekommen sei. Die wollen mich aber anrufen, sobald sie eintrifft.“ „Ok, wo könnte sie noch sein?“ „Ähm“ überlegte sie eine Weile, „wenn sie nicht zu Hause ist, hat sie sich möglicherweise zurückgezogen. Das hat sie bisher nach jedem Abbruch so gemacht, mindestens für eine gute Woche, manchmal auch fast zwei.“ Die Pause, die Diana nach dem letzten Satz einlegte, sagte den beiden Beamten, dass ihr die Situation mit ihrer Mutter emotional schwer zu schaffen machte. „Sie hat außer mir sonst niemanden mehr, dem sie sich anvertraut, wissen Sie!“ „Und ich glaube, Sie können sehr stolz auf sich sein. Familienzusammenhalt ist sehr wichtig, gerade in einer so schwierigen Situation. Melden Sie sich bitte, sobald Sie etwas erfahren! Für uns gilt selbstverständlich das Gleiche. Alles Gute für Sie und Ihre Mutter und vielen Dank für den Kaffee!“ Damit verabschiedeten sich die Beamten und verließen die Wohnung von Diana.

Am nächsten Tag trafen sich Markus und Diana auf einen Kaffee in der Stadt. Sie hatte ihn gestern noch angerufen und ihm von den Polizeibeamten erzählt. Einerseits fiel ihr ein Stein vom Herzen, dass Monika offensichtlich nicht ernsthaft verletzt wurde. Aber, da sie bisher noch immer nicht in der Entzugsklinik auftauchte, hat sie die Therapie wohl abgebrochen, ehe sie überhaupt damit anfing. Diana brauchte einfach mal jemanden zum Reden – und suchte sich dafür ausgerechnet Markus als Gesprächspartner aus, der alles andere als lobende Worte für seine Mutter übrig hatte. Aber Christoph wollte sie damit nicht belasten und ansonsten würde sie ohnehin niemand verstehen.

„Hast du denn schon versucht, sie anzurufen?“ fragte Markus sie erstaunlich gefühlvoll. „Ja, schon ein paar Mal, aber sie geht nicht ran.“ Markus suchte darauf sichtlich die passenden Worte, ehe er antworten würde. Natürlich bekam er mit, dass Diana gerade am Boden zerstört war. Das war sie immer, nach jedem Absturz! Markus war hingegen nicht mehr im Stande, so große Emotionen für seine Mutter zuzulassen. Zu oft enttäuschte sie ihn – sowohl als Mutter als auch in Bezug auf ihren Willen, endlich gegen ihre Sucht zu kämpfen. Aber sie – Diana – war ihm sehr wichtig, und er wusste, dass sie ihn gerade wirklich brauchte. Schließlich unterbrach Diana das beklemmende Schweigen: „Hier, das ist der Entlassungsbrief aus dem Krankenhaus. Die Polizisten haben ihn mir gegeben.“ Markus nahm das Blatt auf und überflog es. Viele medizinische Fachbegriffe, mit denen er nichts anfangen konnte. Dazwischen las er „Prellung der LWS“, „Reizung der Augen“, „Hämatome dorsal“ Als er das Dokument bis zum Ende durchkämmte und es gerade wieder zusammenfalten wollte, stockte er plötzlich. Diana war ganz erschrocken und wollte eine Erklärung von ihm. Aber er beachtete sie gar nicht, sondern nahm sein Handy und wählte …6833-0. Kurz darauf ließ er sich dreimal verbinden, bis er endlich beim richtigen Gesprächspartner gelandet war. Dem stellte er einige für Diana vollkommen unverständliche Fragen und beendete wenig später das Gespräch. Kurze Pause, dann: „Die Unterschrift…, sie ist nicht echt!“ Der ganze Entlassungsbrief ist eine Fälschung!“

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