Ein verheirateter Mann offenbart sein Geheimnis mit den Nylons.

vor 19 Stunden

Der Stoff, aus dem die Geheimnisse sind

Markus’ Finger glitten über den feinen Strumpfbund, als er die Tür zum Schlafzimmer leise schloss. Anna schlief schon, ihr regelmäßiges Atmen war durch die Tür gerade noch zu hören. Er zog die Schublade seiner Kommode auf, hinter den sorgfältig gefalteten Hemden, und holte das schmale, seidige Paket hervor.

Es war ein Ritual geworden, dies hier. Ein paar kostbare Minuten, in denen die Welt still stand. Die kühle Seide der Nylons streifte über seine Haut, ein Gefühl von Sanftheit und Ganzheit, das er nicht in Worte fassen konnte. Es war kein Spiel, keine Laune. Es war, wie atmen. Etwas tief in ihm, das still und unaufdringlich nach Ausdruck verlangte, seit er denken konnte. Ein Geheimnis, so alt wie sein erstes heimliches Gefühl der Freude im ***ageralter, als er zufällig einen hauchdünnen Strumpf berührt hatte.

Am nächsten Morgen trug er sie unter der hellgrauen Businesshose. Es war sein Schutzpanzer und seine Verwundbarkeit zugleich. Im Meeting, während er die Quartalszahlen präsentierte, war er sich des leisen Raschelns bei jeder kleinen Bewegung bewusst. Ein Wissen, das nur ihm gehörte. Es machte ihn ruhig, konzentriert, gab ihm ein seltsames Gefühl von Authentizität in einer Rolle, die sich oft schwer anfühlte.

Anna bemerkte nichts. Sie strich seine Hosen, lobte seinen Geschmack bei Hemden, küsste ihn auf die Wange, wenn er das Haus verließ. Ihre Liebe war real und fest, und gerade das machte das Schweigen so schwer. Die Angst vor ihrem Blick, vor einem Lachen, vor einem ungläubigen „Warum?“ war ein steter Begleiter. Er fürchtete nicht ihre Bosheit, sondern ihr Nicht-Verstehen. Die Möglichkeit, dass dieser eine, verborgene Faden in seinem Wesen alles andere, was sie an ihm liebte, in einem fremden Licht erscheinen lassen könnte.

Der Vorfall geschah an einem regnerischen Donnerstag. Er kam von der Arbeit, nass und abgekämpft, und zog im Bad seine Hose aus, um in Jeans zu schlüpfen. Da rief Anna plötzlich von unten, er solle ihr mit dem schweren Einkaufskorb helfen. In der Eile vergaß er das Handtuch, das er sich um die Hüfte geworfen hatte. Als er sich über den Korb beugte, rutschte es.

Es war nur eine Sekunde. Er raffte es sofort wieder hoch, sein Herz hämmerte gegen seine Rippen. Als er sich langsam umdrehte, sah er sie an. Sie stand da, eine Packung Nudeln noch in der Hand, und ihr Blick war nicht auf sein Gesicht, sondern auf seinen nackten Oberschenkel gerichtet, auf den matten Schimmer des Nylons.

Die Stille war ohrenbetäubend.
„Markus?“, fragte sie leise. Nicht wütend. Nicht angewidert. Verwirrt.
Er konnte nicht sprechen. Die jahrelang gehüteten Wände waren eingestürzt.
Sie stellte die Nudeln ab. „Seit wann?“
„Lange“, brachte er hervor, die Stimme rau. „Sehr lange.“
Sie nickte langsam, setzte sich auf die Treppenstufe. Sie sah erschöpft aus. „Und warum hast du nie… Warum?“
„Weil ich Angst hatte.“ Es war die schlichte, nackte Wahrheit. „Angst, dass du mich nicht mehr sehen könntest, der ich bin. Dass es alles kaputt macht.“

Anna sah ihn lange an. Ihr Blick wanderte von seinen Augen, die voller Angst standen, hinunter zu seinen Beinen, die er jetzt fast schämig unter dem Handtuch verbarg, und wieder zurück.
„Ist es… ein Fetisch? Etwas Sexuelles?“, fragte sie schließlich vorsichtig.
Er schüttelte den Kopf. „Nein. Zumindest nicht primär. Es ist… ein Gefühl. Von mir selbst. Es ist schwer zu erklären.“
Sie seufzte. „Du trägst sie immer? Sogar bei der Arbeit?“
„Meistens. Ja.“
Ein leichtes, ungläubiges Kopfschütteln. „Und ich habe nichts gemerkt.“
Sie schwieg wieder. Markus spürte, wie ihm übel wurde. Hier ging es jetzt um alles.

Dann stand sie auf, kam langsam auf ihn zu. Sie blieb vor ihm stehen, ihr Blick war undurchdringlich. Langsam, als fürchte sie, er könnte erschrecken, legte sie eine Hand auf seine Wange.

„Du bist immer noch du“, sagte sie schließlich, und ihre Stimme brach ein wenig. „Du bist der Mann, den ich vor zwölf Jahren geheiratet habe. Der mir Frühstück ans Bett bringt und unsere Tochter so liebevoll in den Schlaf singt, dass ich manchmal heulen muss.“ Ihre Augen füllten sich mit Tränen. „Es tut mir leid, dass du dich so allein mit etwas fühlen musstest. So lange.“

Es war nicht die begeisterte Akzeptanz, von der er in seinen kühnsten Träumen manchmal geträumt hatte. Es war etwas Raueres, Wahrhaftigeres. Es war Verwirrung. Es war Verletzung über das jahrelange Verschweigen. Aber darunter lag ein Funke von etwas anderem: Der Wille, es sehen zu wollen. Den Mann, den sie liebte, ganz zu sehen.
„Zeig es mir“, sagte sie leise.
Zögernd ließ er das Handtuch fallen. Er fühlte sich nackter als je zuvor in seinem Leben. Anna kniete sich hin, berührte vorsichtig mit den Fingerspitzen den Stoff an seinem Knöchel. Ihre Berührung war neugierig, nicht zärtlich, aber auch nicht ablehnend. Sie war forschend.
„Es ist… einfach nur Stoff“, flüsterte sie, mehr zu sich selbst. „Weicher Stoff.“
„Ja“, hauchte er.
Sie stand auf, sah ihm wieder in die Augen. „Ich weiß nicht, was das bedeutet, Markus. Ich brauche Zeit. Wir brauchen Zeit. Aber…“ Sie nahm seine Hand, die kalt und zitternd war. „Aber du musst mir nichts mehr verstecken. Nicht mehr heimlich. Das verspreche ich dir.“

In dieser Nacht schliefen sie getrennt. Anna sagte, sie müsse denken. Markus lag wach, die Nylons an den Beinen. Sie fühlten sich nicht mehr wie ein geheimes Vergnügen an, sondern wie eine offene Wunde, aber auch wie eine Chance. Zum ersten Mal trug er sie nicht als sein verstecktes Selbst, sondern als einen sichtbaren Teil von sich, der jetzt im Raum stand zwischen ihm und der Frau, die er liebte.

Es war kein Ende. Es war ein zitternder, unsicherer Anfang. Aber es war ehrlich. Und in dieser schmerzhaften Ehrlichkeit lag, so fühlte er es in der Stille der Nacht, mehr Liebe und mehr Hoffnung als in all den Jahren des perfekten Versteckspiels.