Lena und Tom

Januar 29

Lena und Tom lebten in zwei verschiedenen Welten, getrennt durch Ozeane und Zeitzonen. Lena, eine Künstlerin, wohnte in einem kleinen Dorf in den Bergen Italiens, umgeben von Olivenhainen und dem Duft von frischem Basilikum. Tom, ein Ingenieur, arbeitete in der hektischen Metropole Tokio, wo Neonlichter die Nächte erhellten und das Leben in einem ständigen Tempo pulsierte.

Ihre Geschichte begann in einem für Liebhaber alter Bücher. Beide suchten nach einer seltenen Ausgabe eines vergessenen Romans, und ihre Wege kreuzten sich in einem Thread voller Leidenschaft für Literatur. Was als einfacher Austausch über Bücher begann, entwickelte sich schnell zu täglichen Nachrichten, die weit über das Thema Literatur hinausgingen. Sie teilten ihre Träume, Ängste und den Alltag, der so unterschiedlich war und doch eine seltsame Verbindung zwischen ihnen schuf.

Lena schickte Tom handgeschriebene Briefe, die sie mit kleinen Aquarellzeichnungen verzierte – Bilder der Landschaft, die sie umgab, und der Dinge, die sie inspirierten. Tom antwortete mit Fotos seiner Stadt, begleitet von Geschichten über die Menschen, denen er begegnete, und den Geräuschen, die ihn jeden Abend in den Schlaf wiegten.

Mit der Zeit wurde die Distanz zwischen ihnen zu einer schmerzhaften Leere, die sie beide spürten, aber nicht überwinden konnten. Lena träumte davon, die Lichter Tokios zu sehen, während Tom sich nach der Ruhe und dem Duft der italienischen Berge sehnte. Doch ihre Verpflichtungen hielten sie gefangen – Lena kümmerte sich um ihre alternde Mutter, und Tom war in ein großes Projekt verwickelt, das seine ganze Aufmerksamkeit forderte.

Eines Tages, als der Herbst die Blätter in Lenas Dorf golden färbte, erhielt sie ein Paket von Tom. Darin befand sich ein altes Buch – die seltene Ausgabe, nach der sie beide gesucht hatten. Auf der ersten Seite hatte Tom geschrieben: „Manchmal sind die Geschichten, die wir teilen, wichtiger als die, die wir lesen. Vielleicht ist dies der Anfang unserer.“

Lena hielt das Buch fest an ihre Brust und spürte, wie Tränen ihre Wangen hinunterrollten. In diesem Moment wusste sie, dass ihre Verbindung stärker war als jede Distanz. Sie beschlossen, sich zu treffen – nicht in Tokio oder Italien, sondern in Paris, der Stadt der Liebe und der Bücher, wo ihre Geschichte einen neuen Anfang finden sollte.

Und so trafen sie sich an einem kalten Wintertag am Fuße des Eiffelturms, ihre Hände fanden sich, als hätten sie sich schon immer gekannt. Die Distanz, die sie getrennt hatte, war nun nur noch eine Erinnerung, und ihre Herzen schlugen im Rhythmus einer Liebe, die über Grenzen hinweg gewachsen war.