Ein Tag im Februar

[Em****]

Ich war noch viel zu früh dran. Mit einer Mischung aus Vorfreude und Skepsis -was mich erwartet- bin ich dann noch ein wenig an der Enz spazieren gegangen. Ich ließ nochmal unsere Konversation der letzten Tage Revue passieren und war mir immer noch nicht so ganz sicher, ob das Treffen eine gute Idee war. Ich glaubte aus Deinen Zeilen herauslesen zu können, dass Du eher auf der Suche nach einer Schulter zum Anlehnen warst und nicht -wie ich- nur auf eine Spaßveranstaltung aus.

Egal, nun war ich hier und es gab kein zurück mehr. Ich erinnere mich noch deutlich an die hektischen und schnellen Schritte deiner Stiefel im Inneren des alten Hauses als ich bei Dir klingelte und dachte „die hat‘s aber eilig“. Und dann kamst Du auf mich zu … kein „Hallo“, kein zaghaftes Begrüßen … die ersten Worte waren „Endlich bist Du da“ gefolgt von einem Kuss wie ich ihn noch nie erlebt hatte. Ich erwiderte ihn und wir standen erst mal nur so da … eng umschlungen und küssend … wie ein Paar, das sich wochenlang nicht gesehen hat.

Da war im Grunde schon alles klar. Ich spürte sofort, dass diesmal alles ganz anders würde. Wir gingen spazieren und Du stecktest deine linke Hand in meine Gesäßtasche. Ich dachte noch kurz so vor mich hin … „pass auf dein Portemonnaie auf“, aber als Du mir sagtest, dass Du Dich als Kind früher immer so bei Deinem Vater eingehängt hast, war mein Misstrauen verflogen.

Und dann fingen wir an zu quatschen … naja, eigentlich hast Du die meiste Zeit geredet. Wie Du nach Deutschland kamst, von den Jahren in Italien und Spanien, von Deinem Ex und dem ganzen Rosenkrieg mit ihm … wie oft hatte ich von diesem angeblichen Phänomen gehört, dass man manchmal jemanden trifft und sofort das Gefühl hat, ihn schon lange zu kennen. Genau so war es. Einer dieser raren Momente in denen alles einfach fließt, ganz natürlich und harmonisch.

Du hast mich dann in einen kleinen Seitenweg geführt und wir haben uns wieder geküsst und dabei sind meine Hände unter deinen weißen Mantel mit dem Pelzkragen gewandert. Schließlich hast Du ihn geöffnet und mir einen Blick auf das gewährt, was sich darunter verbarg. Von wegen „Schulter zum Anlehnen“ … auf einmal fühlte sich das alles ganz anders an. Zu mehr kam es aber nicht, allerdings war das Tempo auf dem Rückweg zu Deiner Wohnung nun ein anderes, vor allem nachdem Du mir erzählt hast, dass Deine Kinder nicht zuhause waren.

Ich war erregt, gar keine Frage, gleichzeitig fühlte ich aber auch eine Wärme und ein Wohlbehagen oberhalb der Hüfte in mir. Noch hatte das Dinogehirn in mir nicht die Führung übernommen. Wir kamen uns auf Deinem Sofa körperlich nahe, spielten aber nicht das gesamte Repertoire aus. Eine Art Vorspiel ohne Höhepunkt … vielleicht weil wir beide bereits wussten, dass dies nicht unser letztes Treffen sein würde.

Irgendwann hast Du auf die Uhr geschaut und mich darauf aufmerksam gemacht, dass die Mädchen bald nach Hause kämen. Die Realität hatte uns wieder aus dem Traumland geholt. Auf der Türschwelle ein Hin- und her mit Küsschen und nochmal Küsschen … naiv romantisch herrlich … bis ich dann schließlich irgendwann den Heimweg antrat.

Die Fahrt nach Hause habe ich gar nicht mitbekommen. In meinem Kopf herrschte Großbetrieb … eine Mischung aus Hochgefühl, aber auch Verwirrung und einer gewissen Verwunderung angesichts dessen, was mich da gerade durchflutete. Ich fragte mich ernsthaft, ob es das denn tatsächlich gibt, diese berühmte Hollywood-Liebe auf den ersten Blick.

So endete der erste Tag unserer gemeinsamen dreijährigen Reise. Eine Reise, die meine Sicht auf einige Bereiche des Lebens geändert hat. Unter anderem dass ich es heute sehr bedauere, keine eigenen Kinder zu haben. Eine Reise die so viele wunderbare aber auch ein paar schmerzhafte Erinnerungen in mein Gehirn eingemeißelt hat. Eine Reise die mich bei aller Romantik auch gelehrt hat, dass Liebe allein nicht reicht und dass der Wille und der Wunsch nach einem gemeinsamen Leben -trotz der Sehnsucht und der Bekenntnis dazu- nicht immer ausreicht. Letztlich mussten wir uns eingestehen, dass sich unsere Leben nicht verbinden ließen und dass Liebe auch manchmal bedeutet loslassen zu müssen.

Seit dieser Zeit wanke ich hin und her zwischen Dankbarkeit für die erlebte Zeit und Momenten voller Verzweiflung weil ich mir immer noch nicht vorstellen kann, dass das Leben noch einmal so etwas für mich bereit hält, denn immerhin musste ich über 40 Jahre darauf warten. Und egal wie oft ich darüber nachdenke … ich habe keine wirkliche Erklärung dafür, weshalb mit Dir alles einfach so anders war. Aus einem bindungsunwilligen Bruder Leichtfuß ist ein nachdenklicher Mensch geworden der sich immer noch nicht so ganz sicher ist, ob diese Zeit mit Dir mehr Segen oder Fluch mit sich gebracht hat. 

[Xa****]

👍

[de****]

Respekt 👍

[Em****]

Danke. Das Leben schreibt halt doch die wildesten Geschichten.

[Xa****]

Oh ja.