Jump to content

Ronin - Schatten der Vergangenheit


Empfohlener Beitrag

Der Text ist hei

Um weiterlesen zu können benötigst Du einen Account.
Jetzt kostenlos registrieren!

Jetzt registrieren
Geschrieben

Jagd nach Liebe ist Hohe Jagd. Wer ihr dient, wird verwandelt. Unaufhaltsam geht sie durch die Zeiten, als wären diese ein dünner Schleier nur, und sie wird niemals zu Ende sein - denn Jagd nach Liebe ist hohe Jagd ...
(Gerda Zschocke: Zeitreisen)


Ronin – Krieger ohne Ehre, ohne Besitz und ohne Skrupel. Verheizt in der ersten Reihe; dort, wo der Tod seine Ernte mit der blutigen Sense einfuhr und niemand, der um sie trauerte. An dreckigen Jobs, hohen Risiken und miesen Erfolgsaussichten herrscht auch heute kein Mangel. Irgendwo muss immer ein Tarifvertrag umgangen werden, droht ein Projekt, gegen die Wand gefahren zu werden, oder muss ein Konkurrent niedergemacht werden. Dann braucht man sie wieder, die Ehrlosen, die, um die niemand trauert, wenn sie verschwinden, als wären Sie nie dagewesen. In der Moderne kämpfen sie nicht mehr mit Schwert und Lanze. Heute sind ihre Waffen Laptops und Leidensfähigkeit jenseits von Gut und Böse und man nennt sie auch nicht mehr „Ronin“. Heute sagt man: „Freelancer“.
Achtzig Stunden in der Woche knüppeln und den Nachtschlaf auf einem Bürostuhl im Rechenzentrum verbringen – kein Problem für mich. Hatte sich der erste Schmerz gelegt, blieben noch neunzehn Stunden des Tages für Adrenalinschübe vor Hochleistungsrechnern, dreißig Minuten für einen Whisky abends in der Hotelbar und, manchmal, wenn es gut lief, auch noch einmal „rauf, rein, raus, runter“ mit einem weiblichen Körper, Hauptsache, er hatte Löcher, war einigermaßen beweglich und genau so lebensschmerzunempfindlich wie ich. Ein Leben wie auf Droge und mit verhängten Spiegeln.
Zu oft war ich der Sündenbock gewesen. Nicht nur mein Ruf, auch mein Konto hatte ziemlich gelitten. Das mit dem Ruf war schlimmer. Ich brauchte den Auftrag dringend, was die morgige Preisverhandlung mit dem Chef der Bank-IT, einem Dr. Weinhold, nicht gerade einfacher machen würde. Eingecheckt hatte ich in Schwerin im InterCityHotel, in dem der Service wie bei den meisten Hotels in meiner ehemaligen Heimatstadt, hervorragend war.
Auf dem Bahnhofsvorplatz färbte der Herbst die Blätter bunt und der Abendregen ließ die Pflastersteine im Licht der Straßenlaternen glänzen. Menschen strömten aus der Bahnhofshalle, spannten Schirme auf, schlugen die Kapuzen ihrer Jacken hoch und riefen nach Taxis. Sie kamen von der Arbeit, waren auf dem Weg nach Hause und freuten sich, weil die Familie auf sie wartete. Sie verbrachten die Abende bei ihren Lieben, ich in den Hotels Europas und mein Leben schwamm davon wie ein Korken in den Wellen des Ozeans.
Seit fünf Jahren reiste ich durch Deutschland und half Computern, mit den Menschen zurechtzukommen; mein Zuhause sah mich nur an den Wochenenden und niemand wartete auf mich. Regentropfen rannen wie Tränen über das Fensterglas vor mir, ich drehte mich zurück ins Zimmer und klappte den Laptop auf. Den kann man zwar nicht schlucken wie eine Pille gegen Selbstmitleid, dafür gibt es ihn ohne Rezept. Er war mein Stundenrettungsanker: Eine Mausefalle mit meinem Foto als Köder nebst einem auf die Bedürfnisse sich einsam fühlender Frauen zugeschnittenen Profil in diversen Kontaktbörsen.
Aus einem herzförmigen, gebräunten Gesicht schauten mich himmelblaue Augen an, mit roten, halblangen Haaren darüber und einer hohen, faltenlosen Stirn. Die Designerbrille sah nach intellektueller Spinnerin aus und die Klunker an den Ohrringen nach einem Bankkonto, das die Farbe Rot nicht kannte. Ihre Augen wirkten verkniffen und sie hatte die Lippen aufeinandergepresst. Ihr Profil verriet, was ihr Mund verbarg – die Haare auf den Zähnen. Sie wollte keinen Mann, sie wollte einen Gefangenen, auf Lebenszeit und mit Ring, vorzugsweise durch die Nase und ohne Betäubung. Auf das sie ihn als Sklaven seiner Lust - natürlich ohne sie je zu erfüllen - durch die Manege ihrer Machtphantasien zerren konnte. Dazu neunundzwanzig Bedingungen, die Mann erfüllen musste, sollte er das Bedürfnis haben, sie zu kontaktieren. Im Vergleich mit ihrem Profil lud der Prüfungsparcours der Navy Seals zu einem Sonntagsspaziergang mit Blümchenpflücken ein, bei ihr war nichts weiter zu pflücken als lebenslange Sklaverei. Tatsächlich packte mich bei ihrem Anblick ein Bedürfnis, eines, dem ihr Papa hätte schon vor dreißig Jahren nachgeben sollen: Eine Tracht Prügel auf den nackten, vermutlich perfekt geformten Po. Und das war noch die freundlichere Version. Nach ihrem Männerbild war ich ein bierbäuchiger, im Stehen pinkelnder Macho, der alles flachlegte, was bei drei nicht auf dem Kaktus sitzt. Ich fühlte mich verletzt – einen Bierbauch hatte ich nicht.
Es gibt Tage, da habe ich auch das Leben satt, aber ich muss das nicht in Worte gießen und jedem vom anderen Geschlecht die Schuld dafür geben. Eine virtuelle rote Schleife um meine Wut wickeln, und sie abschicken, dauerte nur Sekunden: „Deine Spielgefährten tun mir leid. Trägst du Lack und Leder oder eine Rüstung mit Keuschheitsgürtel?“
Konnte gut sein, dass sie jetzt das Porzellan in der Küche zerlegte, mit einem Baseballschläger. Wenn noch welches übrig war von ihrem letzten Wutanfall. Doch ich irrte mich, sie brauchte nur Sekunden für ihre Antwort und sie gefiel mir nicht: „Weder noch. Nichts als schimmernde, kühle Seide auf nackter, heißer Haut. Du würdest dich nur verbrennen.“
Erwartet hatte ich Schweigen. Bekommen hatte ich eine Provokation. Ich reagierte wie ein richtiger Mann: dumm. „InterCityHotel Schwerin, 21:00. Ruf zehn Minuten vorher an. Mindestens Businessoutfit, enger Rock, vorzugsweise aus Leder und Bluse. Schwarze Nylons mit Naht und High Heels sind ein Muss.“
Ich machte es mir auf dem Hotelbett gemütlich. In vierzig Minuten wurde die Championsleague angestoßen, aber für die Eisprinzessin war das Spiel zu Ende. Das Ergebnis hieß eins zu null für mich und eine Verlängerung stand nicht zur Debatte. Von Wismar bis Schwerin sind es mit dem Auto dreißig Minuten, anziehen und zurechtmachen für ein Date schafft eine Frau nicht in einer halben Stunde, schon gar nicht, wenn sie meine üblen Klischeevorgaben ernst nahm. Aber wahrscheinlich wusste sie nicht einmal, dass es so etwas wie Nylonstrümpfe mit Naht gab, geschweige denn, dass sie erfunden worden waren, um Männer um den Verstand zu bringen. 
Es wurde Viertel vor neun und Signore Colina gab die Begegnung in Barcelona frei, Schweinsteiger führte den Ball am Fuß, ich ein Bier zum Mund und die Geschichte der Eisprinzessin war zu Ende. Dachte ich, da summte mein Handy: „Du hast zehn Minuten. Geputzte Schuhe und Zähne, Anzug und Schlips sind ein Muss. Auf Nylons bei dir kann ich verzichten, sieht nicht so prickelnd aus an einem Mann in der Hotelbar. Vielleicht später, wenn du möchtest.“
Zehn Minuten also. Eine davon verbrauchte ich mit Atmen durch die zusammengebissenen Zähne und nachdenken, ob ich eine Waffe einstecken sollte. Dann kalte Dusche, Anzug an, Kontrollblick auf die schwarzen Slipper und im Tiefflug eine Etage nach unten. Noch eine Minute. Auf dem letzten Absatz ein kurzer Stop, Sakko zurechtrücken, eine Hand in die Hosentasche stecken und mit einem Was-Kostet-Die-Welt-Lächeln im Gesicht lässig um die Ecke. Ich scannte mit den Augen das Halbdunkel der Hotelbar: Vier Anzugträger auf dreibeinigen Edelstahlhockern am Tresen, in einer Sitzecke turtelte ein Pärchen auf einer Couch aus schwarzem Leder hinter einer Sammlung leerer Cocktailgläser und das war alles.
Das hieß dann wohl, dass sie zu Hause saß, wahrscheinlich in einem kratzigen Pyjama aus fair gehandelter Baumwolle und gerade eine neue Kerbe mit diesmal meinem Nicknamen aus dem Forum in ihren Baseballschläger schnitzte. Oder sie las ein Buch über Schachstrategien für Fortgeschrittene. Mich hatte sie „matt in vier Zügen“ geschlagen. Das war der „Schäferzug“ und so legte man Anfänger aufs Kreuz. Das war eigentlich mein Plan gewesen.
Wütend nahm ich mir den Hocker in der hintersten Ecke. Auf dem Bildschirm darüber senste Schweinsteiger mit einer Blutgrätsche einem spanischen Spieler übel die Beine weg. Es sah so aus, als würden wenigsten die Bayern heute einlochen. Vielleicht war ja die Art und Weise, wie sie mit mir umsprang, nur Selbstschutz in einer Männerwelt, in der die Schwachen untergingen und die, die schwach schienen, von jedem als Prügelknaben benutzt wurden. Frauen, die nach oben wollten, demonstrierten Stärke, indem sie sich wie Männer kleideten, redeten wie ihre Konkurrenten und meistens noch härter und brutaler waren als diese. Die Kunst, einen Mann mit Witz und Weiblichkeit zu dominieren, ihn mit einem simplen, aber wohl überlegten Übereinanderschlagen der bestrumpften Beine zu einem sabbernden Tölpel zu machen, war mit Marlene Dietrich gestorben.
Dass eine Frau, die wie eine Prinzessin behandelt werden wollte, sich auch als solche benehmen, kleiden und reden sollte, rafften sie nicht. Weiblichkeit betrachteten die meisten einflussreichen Frauen heute eher als Makel denn als Waffe. Sie wussten sie nicht mehr zu benutzen. Erotik bedeutete für sie, im passenden oder auch unpassenden Moment mit Hintern und Brüsten zu wackeln - sofern der Schönheitschirurg gute Arbeit geleistet hatte und, wenn es so weit war, an der richtigen Stelle zu stöhnen. Oder auch an der Falschen, wenn sie den billigen „Wie-verführe-ich-einen-reichen-Mann-Coach“ genommen hatte. Von der Kunst subtiler Verführung verstand die moderne Frau von heute so viel wie ein Schwein vom Stabhochsprung. Es war eine Scheißwelt, auch für Männer, die nichts weiter als genau das sein wollten, und hatte nichts mit dem Geschlecht zu tun, sondern mit Täter-Opfer, mit verführen und verführen lassen. Wer sich verführen lässt, ist das Opfer; wer verführt, der Täter. Dass Frauen dazu geboren werden, Männer zu verführen, Männer zu Opfern zu machen ...
„Glengoyne für den Herrn. Kann ich noch etwas für Sie tun?“ Der Barkeeper stellte ein Glas vor mich hin. Das Grinsen unter seinem affigen Henri-Quattre-Bart hätte er sich sparen können. Ich war kein Idiot. Welchen Scotch ich liebte, stand nur in meinem Onlineprofil.
„Können Sie“, knurrte ich. „Mir sagen, woher sie wissen, welchen Whisky ich trinke.“
„Ich verstehe nicht ...“
„Da sind wir schon zwei. Wann hat sie angerufen und den Whisky für mich bestellt?“
„Sie bringen da wohl etwas durcheinander.“
Ganz sicher. Ihn, und zwar gleich. Ich stürzte den Whisky in einem Zug hinunter - er schmeckte wie Abwaschwasser - und wog das Glas einen Moment in der Hand. Es sah nicht besonders teuer aus, das Hotel würde nicht pleite gehen, wenn ich es ihm an den Kopf warf. 
Ich holte mit weitem Schwung aus, das leise Summen der Gespräche verstummte abrupt – aber die Männer neben mir schauten nicht mich an, sondern zum Eingang. Ich stellte das Glas wieder auf den Tresen, drehte wie alle anderen den Kopf und holte – auch wie alle anderen Angehörigen der Männerfraktion – tief Luft. Der Grund war allerdings ein anderer: Enttäuschung.
Halblange, lockige Haare, doch nicht rot, sondern blond und keine Brille - das war nicht die Frau für mich. Ich wünschte, sie wäre es gewesen. Sie spielte in einer Liga, für die ich mir keine Eintrittskarte leisten konnte, das sah ich auf einen Blick und es war nur die Frage, welcher der Herren neben mir hier die dicke Marie in der Hosentasche hatte. Unter einem grauen Bolerojäckchen trug sie eine weiße Bluse, unter der ein schwarzer BH durchschien; halblanger, ebenfalls grauer, fast bis zu den Füßen reichender, enger Seidenrock mit Schlitz an der Seite und gleichfarbige Pumps mit mindestens zehn Zentimeter hohen Absätzen - so stand sie im Durchgang zur Lobby. Die Sachen schick und teuer und so gekonnt zusammengestellt, dass sie aus ihrem Übergewicht die pure Verführungsmasse machten, bei knapp einen Meter siebzig ohne die Highheels etwa achtzig Kilogramm Weiblichkeit, und was für eine.
Mit unbewegtem Gesicht musterte sie jeden der Anwesenden, nickte dem Barkeeper zu, er nickte zurück. Sie blickte mich an, länger als den Barkeeper, länger als alle anderen und ließ mir gerade lange genug Zeit, zu begreifen. Dann drehte sie sich mit einem Hüftschwung um, der mich den Rest meiner noch verbliebenen Atemluft kostete, und ging zum Fahrstuhl. Davor blieb sie stehen, und knallte mir über die Schulter ein abgründiges Lächeln mitten zwischen die Augen.
Es waren vielleicht zwanzig Schritte bis zum Fahrstuhl und den ganzen Weg hatte ich das Gefühl, als tropfte mir der Rest von meinem Gehirn aus den Ohren, oder Testosteron, oder beides. Ich hasste sie dafür. Ich hasste alle Frauen, die waren wie sie. Voller Verachtung hatte sie uns Männer in der Bar angesehen, als wären wir nichts weiter als eine niedere Spezies, die nur für einen einzigen Zweck existierte. Wahrscheinlich hatte sie Recht.
Was auch immer ich vorhin gedacht hatte, sie war der Beweis, dass ich falsch lag. Sie würde nicht „sexual harassment“ schrien, wenn ein Mann ihr im Testosteronschwall etwas Dummes sagte. Sie würde ihm einfach eine reinhauten, oder sagen: „Beweise es!“ Vielleicht würde sie auch beides tun. Es gab sie noch: Frauen, die Frauen waren und keine Minizopf-mit-dreckigem-Gummiband-Mülltütenfrisur tragenden Männchen, die nicht wussten, wofür Gott ihnen die Eier gegeben hat. Ich liebte sie. Für die nächsten zwei Stunden ...
Sie drehte sich nicht einmal um, als ich hinter ihr stehenblieb. Sie machte zwei Schritte zur Seite, setzte einen Fuß auf die erste Treppenstufe und raffte den langen Rock, nur ein paar Zentimeter, unterbewusst, kein bisschen anzüglich. Fast wie ein kleines Mädchen, dass seinen ersten Knicks übt. Sie die erste Stufe und jede folgende - ein Mannequin auf dem Laufsteg, jeder ihrer Schritte spannte glänzende Seide über Po und Oberschenkel, straffte Wadenmuskeln über schlanken Fußgelenken und die Nähte ihrer schwarzen Nylons befeuerten eine Landepiste, die auch ein Jumbojet nicht verfehlen konnte. Ich folgte ihr, atemlos und wissend, was mich erwartete, wenn die Treppe ein Ende hatte: ein Ring durch die Nase.
Drei Versuche, dann traf meine zitternde Hand den Schlitz des elektronischen Schlosses in der Zimmertür. Ich stieß sie auf und die Spots in der Flurdecke gingen an. Noch immer stumm, ging sie an mir vorbei, so kühl wie ihr trockener Sandelholzduft. Sie kräuselte die Lippen, als sie den Abdruck meines Körpers auf der Bettdecke sah; lehnte sich mit dem Rücken an die Wand, kreuzte die Arme unter ihren Brüsten und das Zimmer hatte eine neue Besitzerin. Ich war nur noch zu Besuch, nicht mal geladen, nur geduldet.
Wilde Gedanken waren mir durch den Kopf geschossen, hinter ihr, auf der Treppe. Ihr Rock hatte sich so eng um Po und Oberschenkeln geschmiegt, dass sich die Bänder ihrer Strumpfhalter bei jeder Bewegung abgezeichnet hatten und ich hatte mich gefragt, warum es dann der Saum ihres Slips nicht auch tat. Die einzig mögliche Antwort führte zu dem, was sie in meinem Kopf zu wollen schien: Dass ich die Tür aufriss, hinter uns mit dem Fuß wieder zutrat, sie mit mir zerrte, auf den paar Metern bis zum Bett meine Hose öffnete, sie aufs Bett warf, ihr den Rock hochschob und in sie eindrang; mich in sie versenkte, das es tiefer nicht mehr ging und zustieß, immer wieder, immer heftiger, bis sie sich unter mir wand; nicht, um mich wegzustoßen, sondern mich an sich festklammernd, um mehr bettelte, schrie, flehte, bis ...
Quick and dirty – die Phantasie eines in Testosteron ertränkten Männergehirns. Ein Orgasmus dauert nur Sekunden und einmal an der Endstation, führt kein Weg mehr zurück. Jedes Stöhnen, jeder Lustschrei, jedes Glück sind nur noch Erinnerung. Der Hormonschub versiegt, ein letztes, verzweifeltes Aneinanderkuscheln und dann ist die Welt wieder kalt und leer.
Ich stand noch immer in der offenen Tür, sie mit verschränkten Armen an der Wand, halb mir zugewandt. Leise schloss ich die Tür hinter mir, ließ das Sakko von den Schultern gleiten, hängte es auf einen Bügel und in den Wandschrank, ging ins Bad und wusch mir meine Hände. Als ich wieder zurückkehrte, stand sie noch immer so und ich lehnte mich ihr gegenüber an die Wand, nur Zentimeter von ihr entfernt.
Sie winkelt ein Bein an, ihr Knie berührt leicht mein Bein, stemmt den Fuß mit der Spitze der Highheels gegen die Wand und mir schießt durch den Kopf, dass das der Tapete wohl nicht guttun wird. 
Ein leises Lächeln erobert ihre Mundwinkel, traut sich noch ganz nicht hervor, scheint noch auf den richtigen Moment zu warten. Oder ihm fehlt die Übung. Vielleicht lächelt sie ja nicht so oft.
Gewollt ungewollt rutscht die Seide ihres Rocks zwischen ihre Schenkel und wieder berührt mich die Spitze ihres Knies, diesmal an der Hüfte, nur Zentimeter entfernt vom Zentrum meines momentanen Seins. Es ist nur ein ganz leichter Stupser, eine Erinnerung, dass da noch etwas ist, oder etwas sein könnte und ich verstehe, dass es kein Lächeln in ihrem Gesicht ist. Es ist eine Frage. Sacht streiche ich mit der Hand über diese Knie. Es ist ihre erste Verteidigungslinie. Oder ein offenes Tor? Sie hält den Atem an und es ist so still, dass ich es knistern hören kann dabei.
Aufwärts gleitet meine Hand, näher und näher dem Punkt, an dem der Strumpf endet. Echte Nylons, nicht die billigen mit breitem Spitzenrand für die Proleten - ein Eyecatcher, wo keiner mehr gebraucht wird – weil danach das Wunderbarste am Körper einer Frau kommt. Nackte Haut, weich, duftend, samtig und unglaublich empfindsam. Strümpfe sind nur für die Augen, ein Anheizer, mehr nicht; eine Droge, die süchtig macht auf das, was genau dort beginnt, wo ihr Rand endet.
Sie setzt das Bein ab, drückt ihren Unterleib gegen meine Handfläche und da ist kein Stoff mehr zwischen ihren Schenkeln und Pobacken; nichts zwischen ihr und mir; nackt, wehrlos meiner Hand da unten ausgeliefert ist sie und ich müsste nur den Finger ausstrecken ...
„Weiter!“
Sie sagt es nicht, aber es steht in ihren halbgeschlossenen Augen und in der Feuchtigkeit auf ihren Lippen. Mit blassrosa Zunge fährt sie sich darüber, ihr Atem ist mehr ein Stöhnen. Doch sie hat noch nicht bezahlt und es gibt nur eine Währung, die ich gelten lasse – Küsse. Der erste Kuss vor dem Sex ist einmalig, unwiederholbar und ich brauche ihn. Ich brauche ihn jetzt und von ihr.
Habe ich es geflüstert oder weiß sie es selbst? Sie stößt sich von der Wand ab, lässt sich mit ihrem ganzen Körper gegen mich fallen, ihre Lippen finden meine und ohne jedes Vorspiel dringt ihre Zunge in mich ein, sucht nach ihrem Spielgefährten und findet ihn. Ich küsse nicht, ich werde geküsst, voller Leidenschaft, fast Hingabe; von einer Frau, die noch kein Wort mit mir gesprochen hat und plötzlich steigt ein blasses Mädchengesicht aus meiner Erinnerung auf. Siebzehn war sie, hatte die schönsten grünen Augen der Welt und ihr Name war Viktoria gewesen. Fünfunddreißig Jahre war das her und ich habe ihre Küsse nie vergessen können.
Speichel läuft aus meinem Mundwinkel, ich muss husten und öffne die Augen. Was für ein Blödsinn. Kein Mensch erinnert sich noch daran, wie ein Kuss vor einem halben Jahrhundert geschmeckt hat. Klarer Fall – eine Überdosis Testosteron und ich sehe besser zu, dass ich das Zeug aus meinem Blut herausbekomme. Das Opfer dafür lehnt schon wieder an der Wand, hat wie vorhin die Arme vor der Brust gekreuzt und sieht mich spöttisch an. Große Augen hat sie und Falten im Gesicht; die Haare sind wahrscheinlich eine Perücke, aber sie sitzt perfekt. Alles an ihr scheint perfekt zu sein, selbst die über fünfzig und sie scheint kein Problem damit zu haben, dass jeder es ihr ansieht. Sie ist eine Frau und sie ist es gerne …
„Vika“, sagt sie. „Ich heiße Vika.“
Ich sage das erste Dämliche, was mir durch den Kopf schießt: „Müssen wir über Geld reden?“
Sie lacht, wie eine singende Kanonenkugel schießt es aus ihr heraus; schüttelt den Kopf, dass ihre Haare nach allen Seiten fliegen und die großen Brüste unter ihren gekreuzten Armen wippen dabei.
„Später vielleicht“, und jetzt ist der Spott auch in ihrer Stimme zu hören. „Wenn du dich entschieden hast, ob du Deinen Orgasmus da an der Wand eratmen willst oder nicht doch lieber in mir.“
Ein Lächeln unter halbgesenkten Wimpern, wie es nur Frauen in solchen Momenten können. Ich greife nach ihren Handgelenken, drücke Zentimeter für Zentimeter ihre Arme auseinander, bis es nicht mehr weiter geht. Gekreuzigt an der Wand, die Brüste mir entgegengereckt, als wären es Waffen und vielleicht sind sie es auch, für mich, gegen mich, heftig heben und senken sie sich ... Nur Zentimeter entfernt ihr halbgeöffneter Mund; Lippen, die auf meinen Kuss warten. Mein Knie zwischen ihren Schenkeln, und die Härte, die sie jetzt spüren muss, ist nicht mehr mein Knie. Sie bewegt ihren Unterleib, schiebt ihn langsam vor und zurück, immer noch lächelnd, immer noch die Provokation in ihren Augen, aber jetzt endlich glimmt Lust darin auf.
Fester packe ich zu, nagele ihre zarten Gelenke mit meinen Händen gegen die Wand und da ist endlich ihr Stöhnen. Mein Mund auf ihrem, fest, hart, besitzergreifend und es ist wie ein elektrischer Schlag; Brüste pressen sich gegen meine; Schenkel, die mich einklemmen und schneller wird ihre Bewegung ...
Ich lasse sie los, Enttäuschung schießt ihr ins Gesicht und sie öffnet den Mund, vielleicht, um zu protestieren. Wie ein kleines Kätzchen packe ich sie im Genick, wirble sie herum, bis sie mit dem Gesicht zur Wand steht. „Du wirst das Bett erst sehen, wenn Dir die Knie so zittern, dass sie unter dir nachgeben!“ Meine Stimme ist so rau wie die von Joe Cocker nach seinem zehnten Whiskey.
Eng schmiegt sich die glänzende Seide um ihre runden Hüften und die beiden Wölbungen darunter schreien: „Fass mich an!“ Oder mit der flachen Hand daraufschlagen, so dass sie es spürt, die Pobacken erzittern; dann noch einmal ...
Zu spät! Ihr Po an meinen Unterleib, sie selbst ist es, die ihn dagegen presst. Ich taste nach ihren Ohrläppchen, ihrem Hals; tiefer wandern meine Hände - die Wirbel des Rückgrats, die ausladenden Hüften und es ist Zeit, mich hinzuknien. Fußgelenke, Waden, die Kniekehlen – ihr Fleisch zittert unter meiner Berührung; viel Fleisch und ich möchte Dinge mit ihm tun ...
„Mach weiter“, flüstert eine Stimme und sie ist genau so rau wie meine. Doch es ist nicht meine.
„Heb den Rock hoch!“
Langsam und provokant, aber ohne jedes Zögern tut sie es, die Seide raschelt bis über die Hüften, dann verharrt sie und ich muss zurücktreten, weil es mich von innen zerreißt. In einer unmöglichen Position steht sie da – mit den Brüsten an die Wand gelehnt, den Kopf zur Seite gedreht und mich aus den Augenwinkeln anblickend. Die Arme hat sie angewinkelt, hält mit den Händen das über ihren breiten Hüften geraffte Kleid fest und reckt mir ihren nackten Po entgegen. Es gibt nicht genug Luft in der Welt für mich ...
Nein, sie ist kein junges Mädchen mehr. Die Waden sind viel zu rund, die Haut der Oberschenkel war vielleicht früher einmal glatt, jetzt quillt sie über den Rand des Nylonstrumpfes hinweg, ihr Po ist ausladend breit und straff ist etwas anderes. All das muss sie wissen und doch strahlt sie etwas aus, dass sie - nein, nicht aufregend macht, das kann jede Frau, wenn sie es will - schön macht. Ja, sie ist schön. Ihre Haut schimmert wie Perlmutt im aufgehenden Mond und es sind nicht die Neonspots an der Decke, die das bewirken. Es kommt von innen, aus ihr selbst ...
Meine Augen folgen den Absätzen der Highheels, den Nähten ihrer schwarzen Strümpfe bis dahin, wo sich die weiße Haut ans Freie traut und ich breche fast in die Knie. Es ist eine Sinfonie und ich kann sie berühren! Meine Hände umfassen ihre Schienbeine, meine Zunge berührt erst eine Oberschenkelinnenseite, dann die andere – es ist nur ein Tupfer, nur die Zungenspitze und trotzdem – sie beginnt zu zittern, als hätte sie Fieber. Hohes Fieber. Dann Feuchtigkeit auf meiner Zungenspitze und es ist nicht mein Speichel. Warm ist es da und duftend wo ich gerade bin; irgendwo hallt ein langgezogenes Stöhnen durch den Raum und auch das ist nicht meins.
Ein Zischen wird daraus, als meine Zunge weiterwandert, an ihrem Po und schließlich ein neues Opfer findet – ein bisschen höher, klein und rund, aber trocken. Meine Zungenspitze kreist darum, dann dringt sie eine Winzigkeit ein, zieht sich wieder zurück, dann dringt sie wieder ein und noch einmal – ein spitzer Schrei liegt in der Luft und der Po vor mir zittert so sehr, dass ich ihn festhalten muss. Die ganze Frau muss ich festhalten und das kann nicht ich sein, der ihr jetzt ins Ohr flüstert: „Wann bist du das letzte Mal in den ...“
Wie eine Tigerin fährt sie herum, packt mich am Hemdkragen und schubst mich gegen die Wand: „Das geht dich gar nichts an!“
„Ich ...“
„Halt den Mund!“ Hinter dem Ruck, mit dem sie mich von der Wand wegzerrt und aufs Bett stößt, steckt ihre ganze Körpermasse. Sie wirft meine Beine aufs Bett, zerrt mir die Hose halb herunter und setzte sich auf mich.
„Was ist mit einem - au!“
Ihre Hand landet in meinem Gesicht, unsanft. Nach ihrer Hand kommt ihr Mund, wild und gierig; sogar ihre Zähne und sie tun mir weh, genau wie das, was sie zwischen meinen Beinen tut. Als wäre das da unten ein Stück Holz, fasst sie zu und setzt sich darauf. Kein Verweilen, kein langsames Hineingleiten – sie packt zu, steckt es sich hinein, richtet sich mit einem Ruck auf und schließt die Augen; hebt sich, wirft den Kopf in den Nacken und bei jedem Stoß, mit dem sie mich in sich aufnimmt, fällt er zusammen mit einem spitzen Schrei aus ihrem weit aufgerissenen Mund wieder nach vorne. Jeder Kontrolle verlustig nicht nur über sie, auch über mich, bäume ich mich auf ...
„Wehe du kommst!“
Brutal stoppt sie, mitten in der Bewegung. „Ich prügel dich windelweich! Wehe!“
Wildheit irrlichtert in ihrem Gesicht; Leidenschaft und vielleicht auch ein bisschen Verrücktheit. Sie bewegt sich wieder, langsamer diesmal, dann lässt sie sich die Zügel schießen. Die Clips ihrer Strumpfhalter schrammen über meine Oberschenkel, jedes Mal, wenn sie sich von mir hochdrückt und wieder auf mich fallen lässt.
Urplötzlich, ohne Vorwarnung schreit sie auf, das man es bis draußen hören muss. Schluchzen schüttelt ihren Körper, dann ein wildes Lachen und ich muss die Zähne aufeinanderpressen, um nicht ...
„Beweg dich nicht“, flüsterte sie. „Solange du in mir bist, bleibst du hart. Ich bin noch nicht fertig mit Dir. Oh nein ...“ Sie lacht und es klingt wie aus dem Mund eines jungen Mädchens. Mir ist, als hätte ich es schon einmal gehört, dieses Lachen.
„... noch lange, lange, lange nicht!“ An mich gepresst, bewegt sie ihren Po, millimeterweise, kreisend, ein bisschen hoch und runter, dann wieder im Kreis.
„Bitte ...“, flüsterte ich und wieder dieses Kleinmädchenlachen von ihr: „Wehe! Pass schön auf dich auf ...“
Dann liegt sie ganz still, ihren Kopf an meine Wange gelegt und jeden Zentimeter ihres Körpers an mich gedrückt. Eine Ewigkeit scheint es mir, mit jeder Sekunde presst sich fester an mich, kriecht mir mehr unter die Haut, dahin, wo sie nicht hingehört. Niemand gehört da hin, nur ich ... So etwas macht kein One-Night-Stand, denke ich. Nicht mal in jeder Ehe geschieht das. So etwas machen nur ewige Geliebte, wenn nicht nur die Körper, sondern auch die Seelen im Gleichklang schwingen ...
Irgendwann stand sie auf, einfach so, wortlos; streifte sich das Kleid glatt und ging zur Tür. Auch einfach so, ohne Kuss, ohne - ja was?
An der Tür sagte sie, das gleiche Lächeln im Gesicht, dass sie mir an der Bar zwischen die Augen geknallt hatte: „Folge mir nicht.“
Ich lag auf dem Hotelbett, zwischen den Beinen ein See voller Körperflüssigkeit und es war nicht einmal meine. Nichtmal den Abgang hatte ich gehabt, dafür aber von dem Rest die volle Dröhnung. Ihr Sandelholzduft war noch überall, an der Bettwäsche, selbst auf meiner Haut. Ich ging unter die Dusche und drehte sie so heiß auf, wie ich es nur aushalten konnte.
Als ich zurückkehrte, war das Zimmer immer noch leer, immer noch kalt und das würde es ab jetzt auch bis in alle Zeiten sein. Scheiße. Wie war das doch: Ein Orgasmus dauert nur Sekunden und einmal an der Endstation, führt kein Weg mehr zurück. Jedes Stöhnen, jeder Lustschrei, jedes Glück sind nur noch Erinnerung. Der Hormonschub versiegt, ein letztes, verzweifeltes Aneinanderkuscheln und dann ist die Welt wieder kalt und leer.
Ich legte mich wieder aufs Bett. Wie ein Hormonschub wirkt, wusste ich zu genau und auch, was passierte, wenn er wieder wegging. Was noch lange nicht hieß, dass es nicht deswegen genau so weh tat. Ist wie im Wartezimmer beim Zahnarzt vor einer Wurzelbehandlung. Deswegen lasse ich mich nie ein. Nie mehr, seit damals, seit diesen grünen Augen. Ihr Name war Viktoria. Sie siebzehn, ich fünfundzwanzig. Aber da war eine riesige Welt, die es für mich zu gewinnen galt. Vielleicht hätten wir sie zusammen erobern sollen ... Es reichte mit Selbstmitleid. Ich klappte den Laptop auf, um mir noch einmal ihr Bild zum Abgewöhnen anzusehen, aber ich hatte Pech. Es war weg, als hätte es nie existiert. Sie hatte es gelöscht, wahrscheinlich schon, bevor sie losgefahren war. Also doch gelangweilte Hausfrau und ein Schnellschuss. Ihr Mann musste ein absoluter Idiot sein, so eine Frau ...
Ich schmiss mich wieder ins Bett und zog mir die Decke über den Kopf. Nach ein paar Minuten warf ich sie ins Bad und knallte die Tür zu. Dann holte ich die Gästedecke aus dem Schrank. Die roch wenigstens nach Mottenpulver und nicht nach Sandelholz.

------

„Sie sehen ein bisschen müde aus. Lange Fahrt gehabt?“ Andreas Bertholdt, ein sympathischer, kleiner Glatzkopf grinste, und trippelte munter neben mir her. Es war Montagmorgen und ich hatte mit ihm ein paar Projektdetails durchgesprochen, die mit der IT der Bank noch abgeklärt werden mussten. Jetzt waren wir auf dem Weg zu seiner Chefin.
„Ging so. Bin schon gestern Abend im Hotel gewesen. Hab mir noch einen Horrorfilm angesehen. Mit weiblicher Hauptrolle.“, antwortete ich.
„Ich dachte schon, Sie haben sich angeschaut, wie die Bayern untergegangen sind in Barcelona.“
„Hansa-Fan?“
Er drehte die Augen zur niedrigen Decke und ich wechselte das Thema. Wir IT-ler werden immer schnell miteinander warm „Wie ist sie so?“
„Ist nach der Wende gleich rüber. Hat sich hochgebissen bis in die Spitze der Türme in Frankfurt.“
„Was will sie denn hier?“
„Sie fand Ihr Projekt brillant und wollte sich das selbst ansehen, geht ja schließlich um ein paar Millionen, pro Jahr hier für uns. Danach hört sie auf. Hat schon ein Haus gekauft hier. Sagt, Schwerin ist die schönste Stadt der Welt. Sie will wieder nach Hause.“
Einer der ganz großen Bosse in der Provinz. Ich ahnte, was mir gleich bevorstand. Ossi, weiblich, in den Westen gegangen und sich durchgesetzt. Da hat man schon bessere Menschen versaut. Gib einer Frau Macht und da sie kein Mann sein kann, wird sie zum Tyrannen. Vielleicht war ich auch nur schlecht drauf, meine Hormondrüsen hatten Muskelkater. Sie kam aus dem Osten, war eine Frau und dazu noch IT – sie musste Zähne aus Edelstahl haben, wenn sie sich in dieser Welt hatte behaupten können. Respekt, wenn sie ihn denn mir auch zollte ...
Links und rechts neben der Tür, auf die Berthold zusteuerte, standen zwei Frauen in schicken, dunklen Hosenanzügen, die eine blond, die andere brünett, beide gut gebaut und ziemlich hübsch. Fast so groß wie ich, blickten sie uns mit sichtbarem Desinteresse entgegen. Berthold zupfte mich am Arm und ich ging langsamer. „Seien Sie vorsichtig. Sie verzeiht immer Fehler, auch Unachtsamkeiten, aber nur solange sie sieht, dass sich jemand voll reinhängt. Unterschätzen Sie sie bloß nicht!“
Bosse konnte ich nicht ausstehen, ganz egal, ob sie einen Rock oder Hosen trugen. Deswegen war ich Freelancer. Was nicht bedeutete, dass ich nicht um die Gefährlichkeit solcher Leute wusste. Man kam nicht ganz nach oben, wenn man nicht bereit war, eine Menge Schulterknochen beim Drauftreten zu zertrümmern oder sich nicht durch die richtigen Betten zu wälzen.
Ich feixte: „Was wenn doch?“
Eine der beiden Frauen klopfte, fast im gleichen Moment summte das elektrische Schloss. Ich zog die Augenbrauen hoch und Berthold sagte: „Hat sie letzten Freitag einbauen lassen. Zu viel wichtige Dokumente in ihrem Zimmer, sagt sie. Gibt nur zwei Karten für die Tür, eine liegt beim Admin im Safe, die andere hat sie selbst. Deswegen stehen auch die beiden hier. Sind vom Sicherheitsdienst der Bank.“
Hätte ich meine Augenbrauen noch höher ziehen können, wäre ein Loch in der Decke gewesen. Er drückte die Tür für mich auf. Als ich an ihm vorbeiging, flüsterte er: „Wenn doch, nimmt sie Sie Stück für Stück auseinander. Dann setzt sie Sie wieder zusammen, aber so, dass Sie sich nicht mehr wiedererkennen.“
Die Tür rastete mit einem deutlich hörbaren „klick“ hinter mir ein und ich blieb stehen. Eine kräftige Frau stand am Fenster und blickte hinaus. Sie drehte sich auch nicht um, als ich eintrat. Graue Haare fielen ihr in sanften, schimmernden Wellen bis auf die Schultern. Mit samtiger Altstimme sagte sie: „Guten Morgen. Der Vertrag ist in der Mappe auf dem Tisch.“
Damit war klar, wer hier die Hosen anhatte, auch wenn es bei ihr ein schwarzes Lederkostüm war. Es saß perfekt, wie maßgeschneidert, der Rock wurde auf Kniehöhe eng und machte aus ihrem leichten Übergewicht ansehnliche Kurven. Große Kreolen glänzten im Licht der Morgensonne an ihren Ohren im gleichen Gold wie auch die Stiftabsätze ihrer Stiefel. Für das, was sie auf dem Leib trug, konnten sich Normalsterbliche wahrscheinlich einen Mittelklassewagen leisten.
„Setzen Sie sich bitte und schauen Sie sich genau die Vertragsdetails an, bevor Sie unterzeichnen.“ Eine trainierte Stimme, weiblich, warm, fast sanft, aber in den Untertönen vibrierte etwas und es sagte: Weck mich nicht!
Das hatte ich auch nicht vor. Ich bin ein Arbeitstier und das würde sie honorieren müssen. Hatte Bertholdt gesagt und wenn nicht, war es mir auch egal, Hauptsache, sie zahlte.
Ich setzte mich an den kleinen Konferenztisch aus dickem Milchglas und gebürstetem Aluminium, und schlug die gelbe Mappe auf. Erstaunlicherweise war sie dick wie ein Aktenordner. Mein Vertrag lag obenauf; auf der zweiten Seite war mein vereinbarter Stundensatz und unten das Feld für die Unterschrift. Ich stutzte - es war nicht der Vertrag, dessen Kopie man mir zugeschickt hatte. Der Stundensatz war zu niedrig, viel zu niedrig. Für das, was da stand, drehte ich mich morgens höchstens einmal auf die andere Seite.
„Hier ist Ihnen wohl ein Fehler unterlaufen“, sagte ich und es konnte gut sein, dass meine Stimme ein wenig scharf klang.
„Ich mache keine Fehler.“
Ich hob meinen Kopf von dem Vertrag. Sie hatte sich zu mir gedreht und wie eine Schockwelle schoss es durch meinen Körper, erst heiß, dann eisig kalt. Den Mund, der das gesagt hatte, hatte ich gestern geküsst. Nein, er hatte mich geküsst - der Mund von Dr. Viktoria Weinhold.
„Ich mache nie Fehler, Hartwig“, wiederholte sie. Ein paar Schritte, dann setzte sie sich auf den Rand des Konferenztisches neben mir und wieder stieg mir der Duft von Sandelholz in die Nase, trocken und kühl.
„Das ...“
Ich brach ab. Kranke reiche Kuh, dachte ich nur und schluckte meine Verblüffung herunter. Diesen Sieg wollte ich ihr nicht auch noch gönnen. Macht alleine reichte ihr wohl nicht mehr aus. Sie hatte sehen wollen, ob sie im fortgeschrittenen Alter auch noch als Frau Macht über Männer hatte. Bei denen nannte man das Midlifecrisis und vielleicht war sie ja mal ein heißer Feger gewesen. Jetzt machte sie höchstens noch ihr Geld interessant. Aber nicht für mich. Ich brauchte diesen Vertrag dringend, sonst war ich am Ende, aber es gibt für alles eine Grenze.
Ich stand auf. „Dann hat sich das wohl erledigt. Auf dem Orgasmus, den du mir noch schuldest, bestehe ich nicht. Ich hoffe, du hattest wenigstens Spaß. Mir ist er vergangen. Ich gehe.“
„Aber du kannst doch nirgends mehr hin“, sagte sie. Belustigung glitzerte in ihren Augen.
„Doch, und zwar genau jetzt. Da, zur Tür hinaus.“
„Wenn du möchtest, dass Dich lieber mein Sicherheitsdienst bearbeitet statt ich – gerne.“
„Mach dich nicht lächerlich. Es gibt Gesetze!“
„Dann solltest du dich wieder hinsetzen, bevor ich dafür sorge, dass sie auf Dich angewendet werden.“
Unwillkürlich warf ich einen Blick auf die gelbe Mappe neben mir. Sie war dick, viel zu dick, selbst dann noch, wenn meine bisherige Projektdokumentation darin abgeheftet worden wäre. Ich kreuzte wie sie die Arme vor der Brust und presste wütend die Lippen zusammen.
„Ja, ziemlich dick, oder?“ Sie lächelte und wie sie es tat, gefiel mir nicht. Mit ihrem Hintern auf der Tischplatte war sie mir so nah wie gestern Abend und so kreuzte sie auch wieder die Arme unter den Brüsten. Als hätte sie Angst, dass der Büstenhalter das nicht alleine hinbekam. Der Kostümrock spannte wie eine zweite Haut um ihre Oberschenkel.
„Da kommt ein bisschen was zusammen im Leben eines Menschen ... in fünfzehn Jahren. Damals war ich für die Sicherheit in einer Bank in Luxemburg verantwortlich. Es war die Erste, die einem Hackerangriff zum Opfer fiel und es hätte mich fast meine Karriere gekostet. Gerettet hat mich nur, dass nichts gestohlen wurde. Der das getan hatte, hätte Millionen transferieren können und wir hätten nichts dagegen machen können. Fünf Jahre habe ich gebraucht, das brillante Gehirn zu finden, das mich geschlagen hat, und es war verdammt schwierig, das kannst Du mir glauben. Gar nicht mal, es zu finden. Wirklich schwierig war, dafür zu sorgen, dass es nicht mitbekam, dass ich es gefunden hatte. Ihm war gar nicht klar, mit wem alles es sich angelegt hatte. Natürlich war Interpol auf der Jagd nach ihm. Aber eben nicht nur.“
Sie legte den Kopf ein wenig schräg und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. „Wolltest du etwas anmerken?“
Ich räusperte mich, dann noch einmal, bis ich sicher war, dass meine Stimme unbeteiligt genug klang. „Warum hast du es nicht ausgeliefert?“
Laut klang ihr Lachen durch den Raum. Sie schien richtig Spaß zu haben. „Ich habe es sogar beschützt. Oh ja ... Wir haben es als Honeypot benutzt und jeden der Leute abgefischt, die versucht haben, an es heranzukommen, um mit seinem Code so richtig Banken auszunehmen, und das waren wirklich keine freundlichen Zeitgenossen. So wirklich böse Jungs, weißt Du ... Wir haben aufgeräumt in der Szene damals.“
Wieder leckte sie sich die Lippen, dann beugte sie sich ein wenig vor. „Es war nicht bösartig, Hartwig. Es hat nur spielen wollen. Es hat immer nur spielen wollen ... dieses Gehirn. Geld hat es nie interessiert, ebenso wenig wie Verantwortung oder andere Menschen. Es hasste Grenzen und war losgezogen, jede zu überschreiten, die es fand. Es wollte unbedingt immer wissen, was dahinter war. Es war süchtig nach Selbstbestätigung, nie sich selbst genug und sein eigener, schlimmster Feind. In der Akte da neben dir steht, was es liebt, was es hasst, wovon es träumt und niemals jemandem erzählen würde – dabei wünscht es doch nichts mehr, als das es jemand genau danach fragt. Es hat so viel Phantasie ... wo andere einen Feldweg gehen, sieht es eine Autobahn; ein dunkler Tunnel ist eine Galaxy voller Möglichkeiten für dieses Gehirn und Computer seine Spielwiese. Nur mit dem Leben kommt es nicht so richtig klar. Ist ihm vielleicht zu langweilig. Wer weiß?“
Sie zuckte mit den Schultern. „Egal. Ich bin da ein wenig ... hm ... strukturierter. Das Leben geht vor, oder ging vor, für mich ... Aber jetzt ...“, sie erhob sich vom Tisch und stand so dicht vor mir, dass mir ihr Atem ins Gesicht wehte. „Jetzt will ich auch spielen. Also zieh deine Hose aus und setzt dich auf die Stuhlkante.“
Die Frau, die gewohnt war, alles zu bekommen, was sie wollte, hatte es nicht nötig die Stimme zu erheben und so sagte sie diese Ungeheuerlichkeit mit der gleichen kühlen Stimme, mit der sie mir gesagt hatte, wo ich unterschreiben sollte.
Ich passte auf, dass ich meine Stimme unter Kontrolle hatte. „Gerne doch. Aber glaubst du wirklich, dass ich bei deinem Anblick noch einen hochkriege? So, wie Du mit mir umspringst?“
Sie gab ein paar kichernde Töne von sich, die überhaupt nicht zu ihr passten. „Ich wusste, du würdest mir Spaß machen. Aber du hast Recht, safety first. Dein Vertrag hat noch eine kleine Zusatzvereinbarung.“ Sie hielt mir eine A4-Seite auf einer Unterlage vor die Augen und reichte mir ihren Mount-Blanc-Federhalter zur Unterschrift. Nur ein Satz stand darauf: Dr. Viktoria Weinhold hat in Erfüllung meiner Wünsche gehandelt.
„Du bist völlig durchgeknallt! Ich mache mich doch nicht freiwillig zu so etwas wie deienm Sklaven!“
Die gepflegte Hand mit dem Vertrag vor meinem Gesicht wankte keinen Millimeter. „Hatte ich schon erwähnt, dass ich hier ein wenig aufgeräumt habe, als ich ankam? Der Teil des Sicherheitsdienstes hier oben bei mir ist weiblich und absolut loyal. Du hast sie gesehen, neben der Tür, und sie sind nicht so hässlich, oder? Was glaubst du, wie phantastisch sie nackt aussehen? Oder in Stiefeln, wie du es magst? Zwei perfekte Frauenkörper ... junge Frauenkörper ... straffe, duftende Haut, heiße Mädchenhände, samtige Lippen, gierige Zungen; Brüste, die geknetet werden wollen und denen es egal ist, ob von Dir, von mir oder von uns beiden zusammen. Sie werden dich scharfmachen, bis du bereit bist für mich. Dann werden sie dich festhalten und bekommen das, was ich von dir übrig lasse. Ich teile zwar nicht so gerne und sie könnten Dir vielleicht ein bisschen weh tun, solltest Du Dich wehren, aber wenn du darauf bestehst ...?“
Der Schriebs würde vor keinem Gericht der Welt Anerkennung finden. Schon, wenn sie ihn präsentieren musste, wäre ihre Karriere erledigt. Aber was wollte sie dann? Ihr musste klar sein, dass ich ihre Lust nicht befriedigen würde.
Die Sonne knallte ins Zimmer - Thermoglas, nur von innen durchsichtig und ich riss mir den Binder vom Hals, sonst hätte ich nicht mehr atmen können. Ich musste hier heraus, um jeden Preis. 
„Das ist immerhin ein Anfang. Bitte die Unterschrift.“ Ihr Blick war der eines Chirurgen, der überlegt, an welcher Stelle er das Skalpell ansetzen soll.
Ich unterschrieb. Nichts würde passieren, gar nichts. Sie würde mich enttäuscht rauswerfen. Dann hatte ich Zeit, mir zu überlegen, wie ich aus der Nummer wieder herauskam. Vor allem aber, wie ich es ihr heimzahlen konnte. Sie war nicht so unangreifbar, wie sie zu glauben schien und wie sie gesagt hatte - Ihre Bank wäre nicht die erste, die ich knacken würde. Alles, was ich brauchte, war Zeit und die frische Luft draußen ...
„Die Hose, bitte. Beide ...
Ich ließ meine Hose fallen, wo ich stand, und setzte mich auf die Stuhlkante.
„Die Hände nach hinten!“Auch das. Sie legte den Kopf schräg, zog die Unterlippe zwischen die Zähne und schaute zwischen meine Beine.
Jo Mädel, da rührt sich nix, sorry aber auch, dachte ich und verkniff mir ein Grinsen.
„Tss, tss ...“, machte sie. „Du hättest nicht nur den Vertrag lesen sollen in dem Hefter ... da steht auch noch, womit man ...“, sie stieß ein zischendes Lachen aus, „... nein, Frau Dich auf Touren bringen kann. Männer sind so einfach ... Ich habe meine Hausaufgaben gemacht, Liebster. Du darfst sie jetzt benoten ...“
Ein Bein nach vorne gestellt, greift sie hinter sich und der Rock rutscht knisternd über das Nylon über ihrem Bein nach unten. „Ich hatte fünfzehn Jahre Zeit, Deine Vorlieben zu studieren ...“ Die Knöpfe an der Bluse, das seidene Unterkleid folgt dem Weg des Rocks; den BH lässt sie an – und ihre Daumen fahren unter das Gummi das schwarzen Seidenschlüpfers - kein Slip, ein Schlüpfer - spielen mit dem Gummi, fahren darunter hin und her, dann streift sie ihn langsam, sehr langsam an ihren Beinen herunter und wirft ihn mit einer nonchalanten Bewegung auf die Tischplatte neben mir. Obszön wirkt er da – der schwarze Seidenschlüpfer auf dem hellen, sauberen Glas.
Mit nichts weiter als Highheels, glänzender Strumpfhose und BH dreht sie sich einmal um sich selbst, beugt sich ein bisschen vor, ihre Pobacken straffen sich - und schnurrt mit ihrer samtigsten Stimme: „Siehst du, gewonnen ...“
Das leise Gurren, mit dem sie mir zwischen die Schenkel greift, sich einfach darauf setzt und sich auf mir bewegt, habe ich schon einmal gehört – nicht von ihr, natürlich nicht. Fünfunddreißig Jahre ist es her, ein junges Mädchen hat es von sich gegeben, als ein Mann ihre Hand nahm und an die gleiche Stelle legte. Es war das erste Mal gewesen für sie ...
„Wehe ...“
Muss sie nicht betonen. Auch wenn mein Körper schon immer mein schlimmster Feind war, was Frauen und gesunden Menschenverstand angeht. Natürlich werde ich nicht, niemals, nicht mit ihr und auch das kommt auf ihre Rechnung.
Wie gestern werden ihre Stöße heftiger, ihr Stöhnen lauter und ich ertrage es. Etwas in mir genießt es und das gleiche Etwas hasst sie genau dafür, dass etwas in mir genießen kann, wie sie sich auf mir auf und nieder bewegt; mit meinem Körper macht, was sie will und selbst in meinem Kopf ein Tohuwabohu anrichtet. Ausgeliefert ... gefesselt ... ich bin der Mann ... lege Frauen flach ... spiele mit ihnen ... verschaffe ihnen Lust ... ist meine Rolle ... ein Leben lang ausgefüllt ... ausfüllen müssen weil es keine ... mache eigene Psychoanalyse ... keine Analyse ... anal .... NEIN! 
"
Schluss!", schreie ich und wie gestern, lässt sie sich gegen mich fallen. Heißer, heftiger Atem an meinem Ohr; Brüste unter einem Büstenhalter, die sich gegen mich pressen, ein langgezogenes Stöhnen und als es verhallt, steht sie auf. Einfach so und baut sich mit ein wenig gespreizten Beinen vor mir auf. Wieder glänzt Feuchte auf ihrer Strumpfhose - es interessiert mich nicht mehr. Nicht die Bohne. Gar nichts interessiert mich noch, außer, wie ich jetzt hier wieder herauskomme und es ihr heimzahlen kann. Ich greife nach meiner Hose.
Kalt sagt sie: „Welchen Teil von ‚lang‘ hast Du gestern nicht verstanden?“ Eine Eisplatte, die in mein Rückgrat krachte.
Ich wurde steif. Sie lächelte flüchtig, griff nach dem Rock, streifte ihn über und zog den Reißverschluss zu. An ihren Schlüpfer auf dem Tisch schien sie nicht zu denken; ging zu ihrem Schreibtisch, holte einen Spiegel aus einer Schublade, warf einen prüfenden Blick hinein und sagte, während sie mit peinlicher Genauigkeit die Konturen ihrer Lippen nachzog: „Weißt Du, was Du siehst, Hartwig, wenn Du eine Grenze überschreitest?“
Ich saß nackt auf dem Stuhl, die Hände bedeckten das, was nicht mehr zu bedecken war, zumindest nicht vor ihr, und mich interessierte einen Scheißdreck, was immer auch für Antworten sie noch von mir haben wollte. „Wolkenkuckucksheim“, knurrte ich.
„Aber, aber ... Sind wir sauer? Nein, du siehst die nächste Grenze. Wenn Du auch diese überschreitest, kommt noch eine und so weiter ...“ Sie klappte den Spiegel zu und es klang wie ein Schuss, irgendwie endgültig. „Und es hört niemals auf. Deine Konten bei der BR habe ich ausgeglichen und hier bei uns neue eröffnet. Nirgendwo anders wirst du mehr Geld bekommen, Deine Kreditwürdigkeit war ohnehin schon erledigt. Ich bin Deine letzte Grenze, Hartwig. Danach kommt nur noch mit Minen gespicktes Niemandsland für Dich. Leg dich mit dem Rücken auf den Tisch, die Hände unter deinen Po!“
„Was?“
„Du hast mich schon verstanden!“
Wir lieferten uns ein Blickduell und jeder von uns wusste, wer verlieren würde. Ich senkte den Kopf, aber vorher knurrte ich noch: „Dafür bringe ich dich um!“
„Aber das hast du doch schon. Du hast mein Herz gebrochen und ohne kann kein Mensch leben. Na ja, jedenfalls nicht so richtig. Aber das zahle ich Dir gerade heim. Du wirst mir nichts tun, das kannst Du gar nicht. Ich werde nachts neben Dir einschlafen und so sicher sein wie in Abrahams Schoß. Sagen wenigstens die drei Psychogramme, die ich von Dir machen lassen habe. Du kannst eine Frau nicht mal schlagen, du Weichei. Wobei ...“ Sie stand auf, kam um den Tisch herum und leckte sich die Lippen. Mehrmals tat sie das und jedes Mal blieb mehr Feuchtigkeit auf ihnen zurück. „... eine harte Stelle hast du. Richtig hart ...“ Wieder fuhr sie sich mit Zunge über die Lippen, ganz langsam und ich wusste, dass sie wollte, dass ich es sah. Sie war verrückt, anders konnte es nicht sein und das irrlichterte auch in ihren Augen. Wenn ich hier rauskam – und das würde ich ...
„Jetzt leg Dich endlich hin!“ Sie stieß mich vor die Brust und ich krachte mit dem Rücken auf den Tisch. „Hände unter den Po! Sonst rufe ich die Mädchen rein!“
Sie stellte sich nicht zwischen meine Beine, sondern neben mich, griff mir zwischen die Schenkel und ich biss wieder die Zähne zusammen. Doch etwas war anders, ganz anders. Sanft, fast zärtlich bewegte sie ihre geschlossene Hand auf und nieder. Zärtlichkeit? Von ihr?
Erst waren es nur Millimeter, dann etwas mehr, wieder ganz hoch, dann so weit nach unten, dass es weh tat. Doch nicht wirklich, als konnte sie spüren, wo die Lust endete und der Schmerz begann ... der Druck wurde fester, wieder hoch, ganz hoch, mit der anderen Hand langte sie über mich hinweg, küsste meine zusammengepressten Lippen und flüsterte dann: „Augen zu, Mund auf!“
Nein! Ich presste die Kiefer aufeinander. Vor über vierzig Jahren hatte das immer ein Mädchen zu mir gesagt, wenn sie aus der Bäckerei ihres Vaters Plätzchen stibitzt hatte. Ich erinnerte mich genau, wie wir dann auf der Friedhofsmauer gesessen hatten, Hand in Hand und sie mir die Plätzchen in den Mund gesteckt hatte. Jetzt war diese Erinnerung besudelt. Es war der Moment, in dem ich begann, Dr. Viktoria Weinhold zu hassen, und ich wusste, dass dieser Hass niemals mehr erlöschen würde. Sie war zu weit gegangen.
„Mach den Mund auf“, flüsterte sie. Ein Kuss, zart wie ein Schmetterlingsflügel und ein Wort wie ein Hauch: „Bitte ...“
Ich hasste auch mich, weil ich tat, was sie wollte, und ich hasste meinen Körper, weil er mich unter ihrer sachkundigen Hand verriet. Sie stopfte mir ihren Schlüpfer in den Mund, bis er mich ganz ausfüllte und sie ließ sich Zeit dabei. Von nun an war ich nicht mehr nur willenlos, sondern auch noch stumm. Auch das kam mit auf ihre Rechnung.
Nein, ich konnte nicht einfach aufstehen und sie zusammenschlagen. Dann hätte ich auch noch ihren Sicherheitsdienst auf dem Hals gehabt, auch Frauen. Das war mir nicht gegeben, ich konnte tatsächlich keine Frau verletzen, ihre Psychologen hatten gute Arbeit geleistet. Über diese Grenze war ich niemals gegangen und würde es auch niemals tun. Aber ich konnte sie zerstören, langsam, so, dass sie genau mitbekam, wie ich ihr alles nahm, was ihr etwas bedeutete. Egal, was sie jetzt noch vorhatte - ich flüchtete in eine Welt, in die sie mir nicht folgen wollte, meine Fantasie, und da nahm ein Plan langsam Gestalt an ...
Sie steckte einen Zeigefinger in ihren Mund. Als sie ihn herauszog, war er voller Speichel. Ein bisschen davon floss über ihre Lippen. Sie flüsterten: „Ich werde Dich Lust lehren“, und Wahnsinn lohte aus ihren Augen. Ihre Hand glitt zwischen meine Schenkel, tiefer, fand den Ort, an dem ich gestern bei ihr war ... kreiste, spielte, drang schließlich ein, unvorstellbar zart, bis zum ersten Fingerglied ... Sie beugte sich herab, ihr Mund umschloss mich, heiß war er und feucht ... Ihr Kopf bewegte sich auf und nieder, langsam, Lippen, die jeden Millimeter kosten. Ein Schmetterling mit zarten, heißen Flügeln flog vorbei; kehrte wieder zurück; schlug mit den Flügeln, als sei er ein Kolibri, und mein Unterleib musste sich ihm entgegen heben.
Tiefer nimmt sie mich auf, immer tiefer; mein Rückgrat krümmt sich in einem unmöglichen Winkel und dann dringt ihr Finger in mich ein, so tief wie ihr Mund mich in sich aufnimmt.
Ich schreie, was meine Lungen hergeben, der Schlüpfer in meinem Mund nimmt mir die Luft, rote Sterne explodieren hinter meinen Augen ... Luft ...
Mein ganzes bisheriges Leben fliegt in diesem erstickten Schrei davon und macht Platz für etwas anderes.
Der Schlüpfer wird aus meinem Mund gerissen, ich kann wieder atmen und japsend hole ich Luft. Noch immer ist sie über mir, hat mich nicht in die Kälte entlassen; der Schmetterling flattert noch einmal um mich, genau in dem Moment, als sie ihren Finger aus mir hervorzieht und es macht den Schmerz erträglich. Selbst, als ich kleiner und kleiner werde in ihrem Mund, bleibt sie noch, so lange, bis ich beginne, mich auf dem Tisch zusammenzurollen und wieder mit aller Gewalt die Kiefer zusammenpresse, diesmal, weil ich nicht will, dass sie sieht, was da in mir hochkommt, meine Kehle zusammenkrampft, mit aller Gewalt von innen gegen die Augen drückt ... Wer ist diese Frau?!
„Alles ist gut ... Sie ist eine Stimme in der Dunkelheit, die mich im Hier und Jetzt hält; Sie ist Arme, die verhindern, dass ich vom Tisch falle ...
„Komm ...“ Sie kniet vor mir, hält mir die Hose hin, hilft mir hinein und dann auf den Stuhl. Ihr Gesicht, ganz nah vor mir, ein Kuss, dann richtet sie sich auf und geht wieder zum Fenster, als brauchte sie den Abstand zwischen uns. Ruhig, als wäre nichts Besonderes geschehen, sagt sie von da: „Du wirst hier jeden Tag genau acht Stunden arbeiten, keine Minute länger und dafür werde ich Dich bezahlen, Hartwig. Die restlichen Stunden des Tages ...“
„... arbeite ich als Dein Sexsklave, ja?“ Es war ein Beißreflex gewesen, nichts weiter. Mein Gehirn litt noch unter Blutleere.
„Blödsinn.“ Der Boss sprach. „Das entscheidest du selbst. Ich habe zwei Schlafzimmer, eines zum Schlafen, eines für Spaß und einen ganzen großen Kleiderschrank voller hübscher Sachen zum Spielen. Dazu noch ein Arbeitszimmer, in dem die besten Computer, die man für Geld kaufen kann auf, Dich warten. Du hast in den letzten Jahren Raubbau mit Dir betrieben, bist am Ende, Dein Körper und Dein Kopf brauchen Erholung. Ich biete sie Dir, die besten Ärzte und natürlich, die besten Köche. Wenn Du Dich dann erholt hast, kannst Du Dir immer noch überlegen, wie Du mich am Besten fertigmachen kannst für das, was ich Dir, wie Du glaubst, angetan habe. Oder ob es da nicht bessere Möglichkeiten gibt. Ich habe so dass Gefühl, dass wir zusammen noch eine ganze Menge Spaß haben könnten und nicht nur im Bett. Ich habe mich schon immer gefragt, was Bonny und Clyde wohl als Rentner so getrieben hätten.“
Ich musste mich auf den Stuhl setzen. „Was soll das? Bist du verrückt?“
„Eher unausgelastet. Das ödet mich hier alles so an ...“
Wortlos ging sie in ein Nebenzimmer. Die Frau, die nach nur zwei Minuten zurückkehrte, war eine andere. Sie trug Jeans, Turnschuhe, ein verblasstes T- Shirt und hatte sich jede Schminke aus dem Gesicht gewischt. Ihre Lippen wirkten schmaler, die Augenlider auch, weil sie die künstlichen Wimpern entfernt hatte. Sie setzte sich seitlich auf meine Oberschenkel und hielt mir eine alte, verzierte Blechdose hin. „Möchtest du einen Keks? Ist aus der Bäckerei meines Vaters.“
Ich starrte sie nur an, Worte hatte ich keine mehr.
„Ach so, entschuldige, hab ich noch vergessen.“ Sie beugte sich vor, machte mit einem Finger etwas in ihrem linken Auge, dann mit ihrem rechten und als sie mich schließlich wieder anblickte, waren beide grün. „Weißt du ... das mit dem Orgasmus – den schuldest Du mir seit fünfunddreißig Jahren. Die Zinsen treibe ich jetzt ein und du wirst nicht viel dagegen tun können.“
Sie gab mir einen Kuss, sprang auf, setzte sich hinter ihren Schreibtisch und trotz Jeans und T-Shirt war sie wieder der Boss. „Unterschreibe bitte den Vertrag, dann bringen Dich meine Mädchen nach Hause. Deine Hotelrechnung ist bereits beglichen und Deine Sachen sind schon in Deinem neuen Zuhause. In unserem. Die Mädchen bleiben bei Dir, bis ich komme und werden dich beschützen.“
„Vor dir?“
Ich stand auf. Nicht so forsch, wie ich es gerne gewollt hätte. Aber das würde wiederkommen, da war ich mir sicher. Sie wollte mich aufpäppeln? Gerne, dabei konnte ich mir in Ruhe überlegen, wie ich aus ihrer Schlinge wieder herauskam. So verhielt sich keine normale Frau und mit einer Verrückten wollte ich nicht allzu lange etwas zu tun haben.
Sie erhob sich ebenfalls. „Vor Dir selbst. Du könntest vielleicht vor mir weglaufen wollen und das wäre gar nicht gut. Denn dann müsste ich ein paar von den bösen Jungs, die ich damals nicht aus dem Verkehr gezogen haben, reaktivieren. Sie würden Dich überall finden und zu mir zurückbringen, wenn ich es wollte und ich würde es wollen.“
In ihrer Stimme klirrte arktisches Eis: „Damit ich dich begraben kann. Zusammen mit den Hoffnungen, die ich auf Dich gesetzt habe.“

RHCSo, 2021

ronin.jpg

Geschrieben
Bei Belletristica kann man der Einfachheithalber klauen, anstatt sich selbst Mühe zu geben, erotisches Lesewerk hier zu veröffentlichen. Schade, für's an der Nase rumführen. Mich allerdings nicht. 🤷🏻‍♀️

PS: Das nächste Mal bitte geschickter anstellen.
Geschrieben
Wow! Erotisch, spannend, fesselnd... Ich hab angefangen zu lesen und dachte "Ok, fährst gleich nach Hause. Liest sich ja schnell."
Oder auch nicht 😳 ich musste mich wirklich zwingen, das Handy wegzulegen und loszufahren.

Ich danke dir für dieses Lese Erlebnis ❤️
Geschrieben
vor 2 Minuten, schrieb Just_me1980:

Wow! Erotisch, spannend, fesselnd... Ich hab angefangen zu lesen und dachte "Ok, fährst gleich nach Hause. Liest sich ja schnell."
Oder auch nicht 😳 ich musste mich wirklich zwingen, das Handy wegzulegen und loszufahren.

Ich danke dir für dieses Lese Erlebnis ❤️

Ist nicht von ihm geschrieben, auch wenn's ne gute Story ist. 

Geschrieben
vor 5 Minuten, schrieb MissPennyMarket:

Ist nicht von ihm geschrieben, auch wenn's ne gute Story ist. 

Die Geschichte ist trotzdem so, wie ich es beschrieben habe. 

Allerdings finde ich es auch schade, dass sich jemand mit fremden Federn schmückt

Geschrieben
vor 3 Minuten, schrieb Just_me1980:

Die Geschichte ist trotzdem so, wie ich es beschrieben habe. 

Allerdings finde ich es auch schade, dass sich jemand mit fremden Federn schmückt

Hab ja auch nix gegenteiliges geschrieben. 😉👍🏼😃

Geschrieben

@MissPennyMarket: Danke für das Kompliment.

Die Urheberrechtsgesetze und die auf Verletzungen derselben stehenden Strafen sind mir durchaus vertraut. Ich habe mit dem dortigen Autor gerade ein intensives Gespräch geführt. Er hat nichts dagegen.

Mehr mag ich nicht zu deinem Post sagen. Du must mit dir leben. ich nicht.

Ach so, das Gespräch fand im Spiegel statt und nein, ich meinte nicht die Zeitung. Nicht, dass du gleich noch zum Kiosk rennst, um auch das zu überprüfen ...

 

Geschrieben

Also habe ich doch dem Autor selbst mein Kompliment gemacht? 

Geschrieben
vor 11 Minuten, schrieb ArneSjoeberg:

@MissPennyMarket: Danke für das Kompliment.

Die Urheberrechtsgesetze und die auf Verletzungen derselben stehenden Strafen sind mir durchaus vertraut. Ich habe mit dem dortigen Autor gerade ein intensives Gespräch geführt. Er hat nichts dagegen.

Mehr mag ich nicht zu deinem Post sagen. Du must mit dir leben. ich nicht.

Ach so, das Gespräch fand im Spiegel statt und nein, ich meinte nicht die Zeitung. Nicht, dass du gleich noch zum Kiosk rennst, um auch das zu überprüfen ...

 

🤣😂🤣😂👍🏼 1:0 für Dich! Dann kann ich mur den Gang zum Kiosk sparen! 😉😃

Nix für unklug...🤘🏼😁

vor 7 Minuten, schrieb Just_me1980:

Also habe ich doch dem Autor selbst mein Kompliment gemacht? 

Japp, hast Du! 👍🏼😉

  • Moderator
Geschrieben

@ArneSjoeberg 

Deine Geschichte wurde veröffentlicht, weil wir davon ausgegangen sind, dass sie von dir ist.

Auch wenn der eigentliche Autor das OK zur Veröffentlichung gegeben hat, gelten trotzdem unsere Richtlinien zum Einstellen von Geschichten und Gedichte.

-------------------------------

Hier dann Mal einige Richtlinien für diesen Bereich wie auch in unseren AGB zu lesen:

 

§5 Pflichten der Mitglieder 

Für Deine Aktivitäten, Angaben und Inhalte auf Poppen.de bist Du selbst verantwortlich. Du verpflichtest Dich zur Einhaltung der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen (z.B. des Rechts am eigenen Bild, des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts – auch in Form des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, des Urheberrechts, des Marken- und Namensrechts und des Jugendschutzrechts).

Bedeutet im Grunde; bitte nur eigene Geschichten einstellen, da Ihr ansonsten gegen unsere AGB verstoßt und auch gegen das Urheberrecht.

 

Natürlich dürfen eigene Geschichten auch woanders veröffentlicht worden sein, es muss aber eben klar sein, dass IHR die Autoren seid.

Diese Richtlinien sind vor allem auch zum Schutz für Euch.

Gruss Uyen

Forenteam

Geschrieben

Guten Morgen.

Wenn man sich zu Unrecht angegriffen fühlt, ist es schwierig, sachlich zu bleiben und nicht verbal „zurückzuschlagen“. Ich will es trotzdem versuchen. Der Autor dieser und vieler anderer Geschichten bin ich. Punkt. Ich plagiiere nicht, andere mich schon. In dieser Geschichte stecken Monate an Arbeit, das Ringen um jedes Wort, jedes Komma, jeden Vergleich, bis sie endlich das aussagt, was ich wollte.
In ihr verbinde ich zwei Leidenschaften – die für aufregende Frauen und meine Leidenschaft zu schreiben. Ich bin zu alt, um mir Hoffnungen auf einen Verlag machen zu können, ohnehin haben Kurzgeschichten keinen Markt und für diverser Wichsvorlagenbücher will ich nicht schreiben. Trotzdem möchte ich auch gelesen werden. Sonst müsste ich ja nicht schreiben ...

Es gibt tausende Geschichten hier und es gibt für jede einen Grund, warum sie geschrieben wurde. Suche nach Aufmerksamkeit, Testosteron, der Wunsch zur Verwirklichung dieser aufgeschriebenen Phantasien, sich etwas von der Seele schreiben – alles das ist normal und dafür gibt es diese Rubrik hier in diesem Forum.
Für mich ist Sex mehr, als meinen Schwanz in einem dunklen Loch zwischen zwei Frauenbeinen zu versenken. Lächeln gehört dazu, das Strahlen in ihren Augen, Kribbeln im Bauch, das sich bis zu den Schenkeln fortpflanzt, reden, der betörende Duft einer Frau, das Knistern in stiller Nacht, wenn nylonbestrumpfte Frauenbeine sich streifen, Vorfreude, Erwartung und dann, irgendwann ... Erfüllung ... für uns beide. Und das beschreibe ich in meinen Geschichten.
Jeder mag das anders sehen und ich akzeptiere das und jeden. So, wie ich auch akzeptiert werden will. Was ich aber wohl nie akzeptieren kann, sind Menschen, die versteckt in der Anonymität des Internets, über die Arbeit anderer herziehen. Aber auch das gehört zu unserer Zeit. Menschen sind eben verschieden.

Einen schönen Sonntag noch

×
×
  • Neu erstellen...