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Ladys Gute-Nacht-Geschichte


la****

Empfohlener Beitrag

Geschrieben

Es gibt ein gar wunderbares Büchlein (leider nicht von mir, aber nichts desto trotz wunderbar) ...

"In diesem Sinn - die Großmama"

Untertitel: Eine Erziehungsbeihilfe mit vielen Bildern.

Autor: Herrmann Mostar.

Von 1958 übrigens ... erstaunlich, wie wenig sich teilweise geändert hat. Vor allem auch in Hinsicht auf die Moralvorstellungen einiger Leute...

Da ich ja inzwischen gemerkt habe, daß es viele Fans der gehobenen Lyrik hier gibt; es irgendwie schon zu poppen.de paßt, ich Gute-Nacht-Geschichten immer geliebt habe und ich dieses Buch bewundere wie verrückt, dachte ich, ich könnte jeden Abend ein Kapitel hier posten - ich denke, es lohnt sich.

Mal schauen, wie die Reaktionen so sind; ich werde einfach das erste Kapitel reinstellen - und morgen sehen wir weiter.

Mein liebes Suschen!

Ich erfahre,

Du kommst in die gewissen Jahre,
Da Dir so manches schon behagt,
Was man den Eltern nicht mehr sagt:
Der Händedruck im Autobus,
Der Kuß im Tor (Erwachsnenkuß!!),
Der Brief, darin die Worte stehen:
"Denkst Du an mich beim Schlafengehen?",
Im Kinodunkel, süß wie nie,
Die Zitterhand am Zitterknie -
Ach, tut's nicht eben darum gut,
Weil man es im Geheimen tut?

Doch schwer ist's leider, vor den Alten
Geheimes auch geheimzuhalten:
Stets kommt dem scharfen Elternohr
Das Heimliche unheimlich vor,
Und Eltern, welche Töchter haben,
Sind schlimmer dran als die von Knaben.
Vor allem wandelt sich ins Wilde
Das Mutteraug´, das sonst so milde.
Solang Du eckig warst und glatt,
Kurz, zeigtest, was man noch nicht hat,
Da lag's auf Dir in stillem Glück -
Jetzt kriegt es einen Röntgenblick,
Jetzt zeigt es sich besorgt und hart,
Weil oben etwas runder ward,
Ja, selbst die rückwärts rundere Rundung
Wird Ziel mißtrauischer Erkundung!
Einst hieß es, ging man mit Dir aus:
"Geh gerade Kind, und Brust heraus!,
Jetzt heißt's: "Dein Pulli wird zu klein,
Ich bitt Dich, zieh den Busen ein!"
Kauft Dir Mama ein Backfischmieder,
Und findest Du es reichlich bieder,
Und blickst Du heimlich auf die fesche,
Französisch freie Freudenwäsche -
Gleich hat sie Deinen Blick erblickt,
Gleich wird das "Kind" nach Haus geschickt,
Gleich mit dem Aufschrei "Hilf mir Du!"
Eilt Mutter ihrer Mutter zu
Und ruft mit Stimm- und Seelenbeben:
"Was muß ich mit dem Kind erleben!
Wie war ich in den gleichen Jahren
So kindlich rein und unerfahren -
Doch deine Enkelin Susanne,
Die hat es schon mit einem Manne!"

Ja, sie war hier. Sie bat um Rat.
Jedoch was sprach sie, als ich bat:
"So frag das Kind doch: wer, wie, wo!"?
Sie sprach: "Hach, ich genier mich so!"

Nun ja, bedenke und verstehe:
Sie spielt das Stück, genannt "Die Ehe".
Sie spielt darin mit stolzer Miene
Die keusche Tugendheroine,
die stets nur einen Partner liebte
Und nie zuvor mit andern übte.
Der Partner glaubt's nach Bühnenbrauch -
Und drum glaubt sie sich's selber auch.
Und wenn sie Dich zur Beichte zwänge -
Was gäb das für Gedankengänge?
"Vielleicht war ich wie meine Tochter...?
Vielleicht sogar noch ausgekochter...?"
Der Glaube wankt, das Spiel wird schlecht,
Der Tugendton wirkt nicht mehr echt,
Der Partner stutzt, der Text setzt aus,
Statt Happy-End gibt’s Krach im Haus -
Und drum kurzum: Vor seinem Kinde
Geniert man sich nur ganz gelinde,
Die Sache wird bloß kompliziert,
Weil man sich vor sich selbst geniert.
Es glaubt halt jede Frau um Vierzig,
Daß sie ein Engel war. Sie irrt sich.
Jedoch die Großmama um Siebzig -
Die macht sich nichts mehr vor. Das gibt sich.
Ich geb's Dir unumwunden zu:
Ich war wie Du!

Darum hab ich es übernommen,
Dir beizustehn und beizukommen.
Schreib mir getrost: wie ist der Mann?
Wie fing es an? Wie fing er's an?
Ich schreibe Dir dann klar und knapp:
Wie fängst Du ihn? Wie fängst Du's ab?
Ich bürge Dir für Diskretion
(Mit Rücksicht auf den Opa schon:
Er glaubt bereits an fünfzig Jahr,
Daß er für mich der Erste war.)

So schreib mir bald.
Genier Dich nicht, wie ich's nicht tu.
Ich bin zu alt
Und Du bist noch zu jung dazu.
Im Himmel schließt man zwar die Ehen,
Doch hier hat man sie durchzustehen,
Und Liebe fällt nicht von den Sternen,
Man muß sie höchst präzis erlernen;
Doch weil der Mann, was allbekannt ist,
In dieser Kunst höchst ungewandt ist,
Muß sie die Frau (in allen Ehren!)
Nach dem Erlernen auch noch lehren

Nun ja: Zum Lieben sind wir da!
In diesem Sinn

Die Großmama


Geschrieben

Oh Mami toll Die Idee find ich super. Lässt sich auch klasse lesen

La la,
Tear


Geschrieben

Ein Teil des zweiten Briefes...

Und morgen geht es dann um die "älteren" Herren

Mein liebes Enkelkind Susanne

Ich fragte Dich nach einem Manne -
Und jetzt schreibst Du mir frank und frei,
Es sind schon drei!
Der erste ist, fügst Du hinzu,
Für Dich entbrannt, doch jung wie Du;
Der zweite, für den Du entbrennst,
Hat schon fast dreißig mal gelenzt;
Der dritte aber, der Dich zart
Bedrängt mit seiner Gegenwart
Teils komisch, teils jedoch voll Würde,
Trägt fünfzig Jahr des Lebens Bürde.

Nun, meinst Du, mußt Du Dich entscheiden:
Wen sollst Du minnen? Welchen meiden?
Die Antwort räumst Du schließlich ein,
Sie wird für mich recht schwierig sein,
Weil wir in meinen Jugendjahren
So elterlich behütet waren,
Daß nur der vorbestimmte Gatte
Zu unsern Reizen Zutritt hatte -

Ach, Suse, was man da so spricht
Von alten Zeiten - glaub es nicht,
Trau nicht dem Kinderliedgeschmuse,
Dem alten "Suse liebe Suse,
Was raschelt da bei Dir im Stroh...?"
Zwar ist's bei jeder Suse so,
Bei jeder raschelts mal zur Nacht -
Doch kommt kein Gänschen in Betracht.

Nein, denk nicht, daß Du anders wärst!
Was Du mit den drei Herrn erfährst
Von fünfzehn, dreißig, fünfzig Jahren,
Hat Deine Oma schon erfahren.
Gewiß: der Knabe, der Dich schätzt
Und Dich davon in Kenntnis setzt,
Indem er Dich mit burschikösen,
Verwegnen Ellebogenstößen
Derbmännlich in die Seite knufft
(Worauf Du tust, als sei er Luft) -
Er hat mir einst, zu meiner Zeit,
So manchen zarten Vers geweiht,
Er kam mehr lyrisch aus dem Häuschen
Und schenkte mir manch Veilchensträußchen
Und sprach von meines Haares Duft
(Worauf ich tat, als sei er Luft) -
Und doch: es ist der gleiche Knabe,
Knuff oder Vers: die gleiche Gabe,
Versetzt in gleicher stiller Ecke
Zum gleichen, ewig gleichen Zwecke.

Und auch der Beau, für den Du brennst,
Weil Du ihn von der Leinwand kennst,
Dem Du, wachsbleich von Angesicht,
Erschauernd nahst, und der dann spricht,
Umgeben von weit reifren Damen:
"Ein Autogramm? In Gottes Namen!" -
Er stand dereinst und ritt vor mir
Als Leibulanenoffizier,
Er sprach (und zwickte mich, nicht lange
Und dann nur in die obere Wange!):
"Nu man zu Muttern, kleene Puppe!" -
Auch er blieb gleich. Wir sind ihm schnuppe.

Nun, und der Fünfziger, der noch forsche,
Einst im Fiaker, heut im Porsche,
Der zwar nicht schmachtet, aber schmeichelt,
Der zwar nicht zwickt, doch gerne streichelt
(Und dann zumeist die unteren Wangen),
Doch sonst dezent ist im Verlangen,
Mit lichtem Haupt, doch grauer Schläfe,
Der sich so gern mal mit uns träfe
Im Parke, ja, noch mehr allein
(„Ich könnte zwar Ihr Vater sein,
Mein liebes Kind, doch andrerseits
Hat gerade dieses seinen Reiz!“) –
Der hat schon stets so angebandelt,
Der hat nicht mal die Form gewandelt.
Fürs junge Volk nach Zeit und Ländern
Mag sich die Form der Liebe ändern,
Doch die bewussten alten Hasen,
Die dreschen stets die gleichen Phrasen,
Denn hat schon Jugend keine Tugend,
Noch weniger hat die zweite Jugend.

Und macht die Frage Dir Bedenken:
Wem soll ich meine Liebe schenken?,
So rate ich Dir dies mein Kind:
Da es die alten Typen sind,
Wend auch die alte Weisheit an,
Daß man ja dreie lieben kann,
Doch halt Dich an das alte Mittel
Und liebe jeden nur ein Drittel,
Denn schließlich: jeder von den drein
Kann Dir ein Drittel nützlich sein.

Den ersten, der noch knabenhaft,
Voll Knuffer- oder Dichterkraft –
Ihn nütze aus zum Händchendrücken,
Zum langen In-Die-Augen-Blicken.
Hingegen nur zum kurzen Küssen –
Lang wird er’s erst noch lernen müssen.
Drum laß Dir, statt verliebter Sachen,
Von ihm die Schulaufgaben machen,
Er eignet sich, und er beweist es,
Mehr für die Förderung des Geistes,
Für Deines Körpers Förderung
Ist er entschieden noch zu jung.
Nutz auch die Kraft der Knabenhände
Zum Tragen schwerer Gegenstände,
Zum Autosteuern, Rudern, Segeln,
Denn hierin kennt er alle Regeln;
Hingegen zeigt die gleiche Hand
Sich ausgesprochen ungewandt,
Wofern sie, wenn die Stunde reift,
Nach Dir statt nach dem Steuer greift.
Beim Suchen nach den zarten Teilen
Pflegt sie sich meist zu Übereilen,
Es reißt der Stoff, es schmerzt der Griff,
Es fehlt ihr noch der rechte Pfiff,
Auch ist sie, wie zu recht Dich deucht,
Vor lauter Jugend etwas feucht,
Das schadet Deinem Kleid, zudem
Ist’s auf der Haut nicht angenehm,
Und schließlich und aus manchen Gründen
Wird sie, was sie so sucht, nicht finden.
Denn heißt’s auch in des Dichters Sange,
Ein guter Mensch im dunklen Drange
Sei sich des rechten Wegs bewusst –
Das stimmt nicht im Bereich der Lust.
Bei dunklem Drang tappt er vorbei
Am rechten Weg, so gut er sei:
Ein böser Mensch, wenn aufgeklärt,
Ist hier mehr als ein guter wert.

In dieser Hinsicht denkst Du froh,
rat ich Dir nun zu Typus zwo,
Der nicht mehr grün und noch nicht ranzig,
Kurz zu dem Beau so Ende Zwanzig.
Nun gut: solang Du Dich begnügst,
Wenn Du ein zwartes Küsschen kriegst,
Dann macht er das zwar reichlich flüchtig,
Doch macht er andre eifersüchtig:
Stets steigt die femme für hommes an Wert,
wenn sie ein homme à femmes begehrt.
Doch wenn Du meinst, dank meiner Lehren
Wirst Du ihn ganz zu Dir bekehren,
Er wird Dich richtig lieben müssen,
Heiß wie im Film wird er Dich küssen,
Und gegen Küsse auf der Leinwand
Hat selbst der Kenner keinen Einwand –
Ach, kind, dann ist das ein Genuß,
Vor dem Dich Oma warnen muß!

Denn ihn, den sich Dein Herz erkor,
Umgibt ein großer Damenflor.
Der Flor, an Kurven kühn und weicher
Und erotechnisch kenntnisreicher,
Läßt ihm so wenig Zeit und Kraft
Für Reize der Jungmäschenschaft,
Daß er, selbst wenn Du ihn erhascht,
Dich nur so nebenbei vernascht
Als Nummer x der langen Liste
Von Damen, die er nicht nur küsste,
Und dazu kreidets er Dir an,
Daß er Dich ziemlich leicht gewann;
„Denn er war unser“, heißt’s von Schiller,
Doch er, als Mann und Mädchenkiller,
Spricht schnöd: „Was kann schon an ihr sein?
Denn sie war mein!“

So sei das nicht mehr, meinst Du stolz?
Ihr wäret jetzt von anderm Holz?
Die Männer schätzten und verehrten
Nur Mädchen, die sie rasch erhörten,
Die Mädchen hätten gleiche Rechte
Und jede dürfte, die mal möchte?
Nun, als ich jung war, tat sie’s schlicht,
Ob sie’s nun durfte, oder nicht –
Doch immer stand die Frage so,
Ob eine, die mit ihrem Beau
Zur Traumfahrt in die Liebe startet,
Das auch bekommt, was sie erwartet,
Kurzum, hier setzt die Praxis ein,
Und leider sagt die Praxis nein.

Denn schau, wenn so ein Wunschtraummann
Die schönsten Mädchen haben kann,
So gar nicht steif, nein, äußerst willig,
So richtig reif und dazu billig,
Und leistet doch Verzicht auf diese
Und ist dafür auf Grüngemüse,
auf Frühobst so wie Dich erpicht –
dann stimmt was nicht.
Wenn er, obwohl sich’s ihm doch beut,
Das Brechen starker Pflanzen scheut
Und sucht, wie er die schwachen breche –
Geschieht’s aus Schwäche.
Auch hier braucht’s Kraft, auch hier braucht’s Mut,
Und nur was lange währt, wird gut.
Und wenn er sich am Wege bückt
Und Dich nur eben hastig pflückt –
Was hast Du von der Hast? Versteh:
Es tut nur weh.
Natürlich geht’s vorbei. Es bleiben
Noch andre Knospen, die bald treiben.
Doch diese erste, schön und schwach –
Ach Suse, die wächst niemals nach.


Geschrieben

Liest sich wirklich gut, freue mich auf die weiteren Kapitel. :-)


Geschrieben

Muss ich mich jetzt angesprochen fühlen ich fürchte ja

Aber da eins und zwei abgelehnt wurden, wage ich zu hoffen

Danke Lady für Deine Mühe, eine schöne Idee



Geschrieben

Und morgen geht es dann um die "älteren" Herren



Öhm...liebe Lady, ich will ja nicht meckern, aber welches morgen haste denn gemeint? Ich, weiß, Zeit ist relativ - gestern war heute noch morgen und morgen ist heute schon gestern. Ich würde mich über das Kapitel mit den "älteren Herren" freuen, am liebsten natürlich noch heute...


Geschrieben

Einfach nur köstlich

LG xray666


Geschrieben

Ja ich schäme mich schon.

Der nächste Teil kommt noch heut Abend, versprochen!


Geschrieben

So, wie längst versprochen...

Denn wächst dies Blümchen auch am Wege –
Es braucht die gärtnerische Pflege,
Es braucht den Fachmann, reif an Jahren,
Denn was der Jüngling einst erfahren
Und was der Mann dann eifrig tat,
Das weiß er, nun das Alter naht,
Mit klugem Sinn und zarten Händen
Spar- und behutsam anzuwenden.
Darum laß Dir von mir empfehlen
Die Herrn, die über fünfzig zählen!
Denn sie, die viel Beredeten,
Die allgemein Befehdeten,
Die Veteranen früher Lieben,
Die mit den Nach-Johannistrieben,
Die mit den Schläfen-Silberfädchen,
Die „guten Onkels“ kleiner Mädchen –
Vor’m Nahn des ersten Schlaganfalles
Tun sie für ihre Nichten alles!
Sie düngen diese zarten Blüten
Mit viel Bonbons aus großen Tüten,
Sie lassen über diesen Kleinen
Die Sonne ihrer Glatzen scheinen,
Begießen sie auch oft und gern
Mit Weinen á la Hâutes-Sauternes,
Und woll’n sie einmal voll Entzücken
Ins Innere der Knospen blicken,
Dann biegen sie in stillem Glück
Die Hüllen Stück um Stück zurück
Wie Blütenblatt um Blütenblatt
Und sehn und tasten sanft sich satt.
Mehr tun sie nicht: ein kluger Mann
Tut stets nur das, was er auch kann,
Und bittere Erfahrung spricht:
Solang man’s kann, kann man’s noch nicht,
Und wenn man’s kann, kann man’s nicht mehr ...
(Für Damen gilt dies nicht so sehr,
Und dies Gefühl gibt allen Frauen
Sicherheit und Selbstvertrauen.)

Drum sage ich, die alten Herrn
Hat jedes kluge Mädchen gern.
Sie atmen halt wie schweren Wein
Den süßen Duft der Jugend ein
Und fühlen schon ihr Herze puppern,
Wenn sie die Knospen nur beschnuppern –
Auch David schätzte, nah der Gruft,
Nur Abisag von Sunems Duft,
Obwohl besagte Abisag
Doch nackt mit ihm der Ruhe pflag.
Drum gönn Dich ihnen. Spiel ihr Spiel.
Und außerdem: Du lernst da viel
Und kannst es dann im spätern Leben
An jüngre Herren weitergeben,
Denn wie es in der Staatskunst Brauch,
Ist’s in der Kunst der Liebe auch:
Nur die schon ältere Person
Kennt und bewahrt die Tradition.

Und doch: warum, fragst Du mit Recht,
Macht man die alten Herrn so schlecht?
Man warnt vor ihnen und man tut,
Als saugten sie Jungmädchenblut,
Man macht bereits das Schulkind glauben,
Daß sie im Sturm die Unschuld rauben,
Sie, die doch Gott als Onkels schuf!
Woher kommt bloß ihr schlechter Ruf?

Sie haben ihn, höchst geckenhaft,
Aus Eitelkeit sich selbst verschafft,
Sie halten subjektiv ganz ehrlich,
Sich selbst für sinnlich so gefährlich,
Daß die gesamte andre Welt
Sie gleichfalls für gefährlich hält.

(Zum Beispiel schau Dir meinen Mann,
Ja, Deinen alten Opa an!
Ein kesser Blick ist unausbleiblich
Nach jedem Halbwuchs, falls er weiblich,
Er hält sich grad, er schwingt sein Stöckchen
So kühn, wie sie ihr kurzes Röckchen,
Sein Lächeln spricht: „Die wär schon richtig,
Doch kenn´ ich mich, und drum verzicht´ ich!“
Dann aber, milden Angesichts,
Sagt er mir tröstend: „Fürchte nichts!
Du weißt, dass mir als Mann und Christ
Die Ehe etwas Heiliges ist!“)

Nun ja. Ob Boy, ob Greis, ob Beau:
Sie sind mal so.
Sie tuen oft nicht, was sie sollten.
Sie können oft nicht, was sie wollten.
Doch fehlt’s Dir selber an Talenten,
Wenn sie nicht wollen, falls sie könnten.
Bedenk, dass mir das nie geschah!
In diesem Sinn

Die Großmama




Geschrieben

Danke!

Ein echtes Highlight kurz vorm Schlafengehen...
Ich freu mich schon auf morgen!


Geschrieben

Täglich schaff ich leider nicht... Ich muß das alles ABTIPPEN ...

Mein liebes Enkelkind Susanne,

Du fürchtest also eine Panne,
Weil mancher Knabe, mancher Greis
Dich ernstlich zu gefährden weiß,
Und wehrst Du Dich, er tut es doch,
Der eine schon, der andre noch.
So wird der Knabe, sonst kaum schädlich,
Eventuell doch pubertätlich,
Und ältre Herrn mit Sex Appeal
Erreichen ihren Jugendstil.
Beim Beau hingegen, oh wie sündlich,
Da wird Dir manchmal selber schwindlig,
Denn unvermutet tritt in Kraft,
Die Leidenschaft, die Leiden schafft –
Und mithin, wenn’s gefährlich wird,
Und wenn sich eine Hand verirrt –
Wo findest, fragst Du, diese Hand
Den vorgeschriebnen Widerstand?

Zunächst geb ich Dir eines zu:
Wir hatten’s besser als jetzt Du,
Indem zur Rettung aus Gefahr
Die Mode äußerst dienlich war.
Wir fühlten unsre Fischbeinkragen
Sanft würgend bis zur Kehle ragen,
Die Bluse selbst war voller Drehs,
Voll Rüschen, Falbeln und Plissees,
Und viele Häkchen voller Tücken,
Nicht etwa vorne, nein, im Rücken,
Die äußerst schwierig aufzuhakeln,
erschwerten es, uns abzutakeln.
Dann, von der Taille bis zum Schuh,
War für Verehrer alles zu,
Zwar war da irgendwo das Knie,
Sie ahnten’s, doch sie sahen’s nie,
Der Blick von rückwärts und auf Treppen,
Der heut so reizvoll, fand nur Schleppen,
Kurz, vorm gesamten Unterstock
War alles Rock.

Ich sage nicht, dass dies nur schockte.
Ich sage nicht, dass dies nicht lockte.
Sah mancher nur vom Schuh die Spitze,
Dann brachte ihn das schon in Hitze,
Und ging der Blick bi zu den Knöcheln,
Dann hörte man ihn beinah röcheln.
Doch folgte dann dem Blick die Hand –
Ach, sie geriet in Feindesland!
Auch wenn wir selbst durchaus bereit,
Wenn günstig die Gelegenheit,
Begann für die schon leicht Nervösen
Die Tantalidenqual der Ösen,
Begann sogar für kluge Köpfe
Der Sisyphuskomplex der Knöpfe!

Bereits der Schuh (den Knöchel deckend),
Ihn aufzunesteln war erschreckend,
Das Strumpfband oberhalb der Waden
War hinderlich und kam zu Schaden,
Im Anschluß, an noch schönern Plätzchen,
Gab’s wieder Knöpfe, Bund und Lätzchen,
Ein Labyrinth von Kunstverschlüssen
Lag vor den höheren Genüssen,
Und galt’s dann, das Korsett zu lösen
Samt Eisenhaken, Eisenösen,
Und knackten sie die Panzersperre
Nach viel Gedrücke und Gezerre,
Und gab sie endlich, endlich nach
Mit dumpfem Krach –
Dann wollte es nicht mehr gelingen,
Die Festung gänzlich zu bezwingen,
Denn war die Festung auch nicht prüde –
Umsonst, die Helden waren müde.
(Noch heut nach einem Halbjahrhundert,
Wird Opa drum von mir bewundert,
Und seine Leistung wird erst jetzt
Von mir so richtig eingeschätzt.)

Doch heutzutag? Ach Suse, Suse!
Kein Fischbeinkragen krönt die Bluse,
Statt Rüschen, Falbeln und Plissees
Trägt jeder Backfisch Dekolletés,
Die früher nur erlaubt für Damen,
Falls sie aus höheren Schichten kamen,
Das Stahlkorsett, dem sie entquollen,
Und das sie schützte, ist verschollen
Und wich für Damen jeden Alters
Dem Pseudoschutz des Büstenhalters,
Der Wollstrumpf ward zum Seidensöckchen,
Der lange Rock zum kurzen Röckchen,
Die strenge Hose ward zum Höschen,
Kein Knöpfchen stört, es hemmt kein Öschen –
Weh, dreimal weh euch Enkelkindern!
Wie wollt ihr den Verehrer hindern,
Wonach er greifen will, zu greifen,
Wonach er streift auch abzustreifen?
Sich wehren? Imponiert ihm nicht.
Ein Tränlein weinen? Rührt ihn nicht.
Mit Vater drohn? Wer fürchtet Väter!
Mit Pfarrern drohn? Er beichtet’s – später.
Ins Antlitz spein? Gott, wie veraltet!
Was tut ihr nur, dass er erkaltet..??
Kein Retter da? ... Es will mir scheinen:
In Deinem Alter gibt’s noch einen!

Du kennst ihn nicht. Er kennt Dich nicht.
Nie sahst Du ihn von Angesicht.
Und dennoch: er, der Strafverfüger,
Der Feind der Gauner und Betrüger,
Der jeden greift und jeden haßt,
Der mal in fremde Taschen fasst,
Der stets bereit, die Jagd zu fördern
Nach Lust- und anderweit’gen Mördern,
Und das bei kärglichem Gehalt,
Mit einem Wort: der Staatsanwalt –
Er jagt, weil dazu angestellt,
Auch Männer, die Dich nicht um Geld,
Nein, die aus sinnlichem Vergnügen
Um Deine Unschuld Dich betrügen,
Die keinesfalls nach fremden Taschen,
Jedoch nach fremden Brüsten haschen,
Vor allem: Er, der nie geschont
Die Mörder, welche lustbetont,
Er haßt und greift in gleicher Weise
Die allzu lustbetonten Greise,
Denn was auch ihrem Opfer droht,
Verführung oder Zucht der Not –
Falls minderjährig oder kindlich,
ist es in seinem Schutz befindlich.
Hier, weil Jurist und somit sittlich,
Zeigt er sich meistens unerbittlich;
Wenn’s ginge, träf sein Strafantrag
Selbst David (wegen Abisag):
Trotz oder wegen hohen Alters
Und trotz des Milderungsgrund des Psalters
Und nur an ihr gerochen habend,
Verbrächte er den Lebensabend
Vereinsamt im Gefängnistrakt.
Denn schließlich: Abisag war nackt!

Doch andrerseits und bei Bedarf
Ist man auch gegen Jüngere scharf.
Zum Beispiel was dereinst geschah
Mit Romeo und Julia –
Der Fall käm heut nicht vor den Dichter,
Er käme vor den Jugendrichter
Als Unzucht zwischen zwar willfährigen,
Doch einwandfrei noch Minderjährigen,
Und beide büßten, statt im Grab,
Die Schuld in Zwangserziehung ab.
Es war darum, das zeigt sich schlüssig,
Das Trauerspiel ganz überflüssig:
Humaner, selbst der Laie sieht’s,
als der Poet ist die Justiz.

So kann man denn im ganzen sagen:
Juristen schaffen viel Behagen,
Weil sie nicht nur Gesetze geben,
Für’s menschliche Zusammenleben,
Nein, auch exakte Paragraphen
Für’s menschliche Zusammenschlafen,
Was absolut in Ordnung geht,
Weil jenes erst durch dies entsteht.

Drum, Suse, mach Dir dies zunutz
Und stell Dich unter ihren Schutz!
Ich rate, wenn Du auf mich hörst:
Wir einer kühn, dann red nicht erst,
Dann zieh ein Photo rasch und bieder
Aus Täschchen, Röckchen oder Mieder,
Die Photo stelle einen dar,
Der streng von Blick, schwarz von Talar
(Du kannst Dir’s irgendwo entleihn,
Auch kann’s ein Zeitungsausschnitt sein),
Und fragt er dann, vielleicht schon blaß:
“Wer ist denn das?“ –
Dann sage lässig, aber kalt:
“Mein Onkel. Er ist Staatsanwalt.“

Die Wirkung war noch stets enorm.
Der Deine hält fortan auf Form,
Und ruhig wird es am B.H.
In diesem Sinn

Die Großmama



Dafür kommt beim nächsten Mal mein liebstes Kapitel...


Geschrieben

Wirklich köstlich, liebe Lady!

Sorry wegen meines Drängelns, mir war nicht bewußt, dass Du alles abtippen mußt *schäm*! Also: laß Dir Zeit (aber nicht zu viel). Ich freu' mich schon auf' nächste Kapitel!


  • 2 Jahre später...
Geschrieben

.... ob die lady sich wieder erweichen läßt???


  • 1 Jahr später...
Geschrieben

@spatzi

den Fred hast du aber prima abgestaubt, jetzt kann @lady wieder weiter schreiben.


Geschrieben

NA DAS IST JA SÜSS OHNE ENDE!!!!!!!!




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