Happy Women’s Day 2018!

Erika Lust ist Regisseurin, Autorin, Drehbuchschreiberin und Filmproduzentin, die sich in ihren Arbeiten verstärkt für die Rolle der Frau im Porno einsetzt. Zum internationalen Frauentag 2017 haben wir uns mit ihr über Frauen-Porno, Feminismus und die weibliche Sexualität unterhalten.

 

Ähnlich wie in Deinen Filmen, so geht es auch in unseren Communitys Poppen.de und Fuck.com darum, Sex zu enttabuisieren. Welche Rolle können wir in der sexuellen Emanzipation von Männern und Frauen spielen?

Ich verstehe Poppen.de und Fuck.com als wichtige Teile einer neuen sexuellen Revolution, die in der digitalen Welt stattfindet. Technologie trifft hier auf eine offene, vorurteilsfreie Haltung zum Thema Sexualität.

 

M_18.jpgEin Blick hinter die Kulissen: Erika Lust und ihre Kamerafrau in einer Drehpause.

 

Pornographie ist immer noch vor allem ein Männerbusiness. Frauen, die Regie führen, sind selten. Du bist da eine Ausnahme. Wie kam es dazu?

Wie viele andere auch, war ich das erste Mal mit Pornographie konfrontiert, als ich ein Teenager war. Aber ich war echt enttäuscht und verlor das Interesse. Als ich dann älter wurde, habe ich versucht, dem Porno eine neue Chance zu geben. Doch es hatte sich überhaupt nichts geändert, die Geschichten waren immer noch dieselben: eine Frau mit High Heels, die einem Polizisten einen Blowjob gibt. Ernsthaft?

Da fing ich an jede Menge Bücher zu lesen. Und je mehr ich über Pornographie lernte, desto größer wurde mein Wunsch, etwas zu verändern. Ich wollte eine echte Alternative zum Mainstream-Porno entwerfen. Etwas, das sowohl meinen persönlichen Geschmack, als auch meine eigenen Werte und Grundüberzeugungen widerspiegeln sollte. Eben etwas, das ich selbst mögen würde – aber das auch für andere Frauen und Männer interessant sein könnte.

 

Was ist denn Dein Problem mit Mainstream-Pornos?

Ich habe kein Problem mit Mainstream-Pornos. Ich kann ihnen bloß nichts abgewinnen. Außerdem sind die weiblichen Pornofilm-Charaktere meist unglaublich überzeichnet und stereotyp. Warum liegt der Fokus in diesen Pornos so stark in der Befriedigung der männlichen Lust? Dort ist Sex doch vor allem etwas, was Frauen für die Männer machen sollen, und Männer an den Frauen machen dürfen. Für weibliche Sexualität ist überhaupt kein Platz. Frauen dürfen Männer befriedigen, nicht aber sich selbst.

 

Wie feministisch kann Porno denn überhaupt sein? In den 1980er Jahren haben sich viele Feministinnen klar gegen Pornographie ausgesprochen. Die amerikanische Schriftstellerin Andrea Dworkin schrieb einmal: “Pornographie ist die Theorie, Vergewaltigung ist die Praxis.”

Auch die feministische Schriftstellerin Susan Brownmiller schrieb in ihrem Buch Against Our Will: “Pornographie ist, wie auch Vergewaltigung, eine männliche Erfindung, dazu bestimmt, die Frau zu entmenschlichen, sie auf ein sexuelles Opfer zu reduzieren.” Aber stimmt das? Ich glaube nicht! Pornographie ist schließlich eine Erfindung der gesamten Menschheit  – und eine sehr alte Erfindung noch dazu. Schon die Venus Figuren aus der Steinzeit waren explizit sexuell. Oder denken wir nur an die 2500 Jahre alten Tempelanlagen in Indien: In ihnen lassen sich heute immer noch viele verschiedene erotische Skulpturen und sexuelle Darstellungen entdecken. Pornographie hat es immer schon gegeben! Sie ist so alt wie die Menschheit selbst – und: sie ist völlig unabhängig vom Geschlecht. Letztendlich sind wir alle sexuelle Wesen und stehen darauf, Sex in Bildern zu sehen. Daran hat sich bis heute nicht viel geändert.

 

Lassen sich Feminismus und Pornographie wirklich miteinander vereinbaren?

Frauen sind genauso sexuell wie Männer und auch sie möchten Sex auf dem Bildschirm sehen. Und nur weil es in den letzten 40 Jahren ausschließlich heterosexuelle Männer waren, die die Geschichte des Pornos dominiert haben, heißt dies nicht, dass das Genre nur ihnen gehört. Warum sollte denn eine Frau nicht hinter der Kamera stehen, das Geschäft führen, die Drehbücher schreiben oder das Filmset leiten? Wenn Männer über Sexualität reden und Filmskripte entwerfen, dann tun sie das nur aus ihrer eigenen, männlichen Perspektive. Weibliche Sexualität blenden sie komplett aus! Feministische FilmemacherInnen möchten ihrem Publikum dagegen Vielfalt anbieten und einen Raum schaffen, der es auch Frauen ermöglicht, ihre Sexualität vollkommen frei zu repräsentieren. Seit fünfzehn Jahren arbeite ich nun in dem Gebiet des adult cinema und setze das um, was mir persönlich wichtig ist. Es gibt immer noch viel zu tun. Und es gibt immer noch Vieles, was wir ändern müssen.

 

Würdest Du Deine eigenen Filme als feministisch bezeichnen?

Ja klar!

 

Erika products-2.jpg

 

Was ist der Unterschied zwischen Erika-Lust-Filmen und Mainstream-Produktionen?

Es gibt überhaupt keine Gemeinsamkeit! Alles ist ganz unterschiedlich! Mein Ziel ist es, Sex als etwas Positives darzustellen, als etwas ganz Natürliches, Gesundes, und als etwas, das jede Menge Spaß macht. Grundsätzlich sind meine Filme sehr ästhetisch und wunderschön. Der Schlüssel lautet Authentizität: Die Geschichten und die Handlungen der DarstellerInnen sollen möglichst real und nachvollziehbar sein. Auf meiner Webseite XConfessions.com können Mitglieder anonym über ihre sexuellen Fantasien und Wünsche sprechen. Jeden Monat wähle ich zwei Fantasien aus und entwickle aus ihnen einen Kurzfilm. Wichtig ist, dass die weibliche Lust stets im Vordergrund steht. Und das nicht, weil mich männliche Lust nicht interessiert – im Gegenteil. Aber: Seit Jahrzehnten sind wir mit Pornos konfrontiert, die die weibliche Sexualität einfach ignorieren. Das möchte ich ändern. Die PerformerInnen sollten echte Lust empfinden und zeigen können. Laute Fake-Orgasmen gibt es in meinen Filmen nicht.

 

Wie viele Frauen arbeiten in Deinem Team?

In meiner Filmcrew arbeiten ausschließlich Frauen. 15 sind wir insgesamt.

 

Richten sich Deine Pornos denn ausschließlich an Frauen? Können sie auch für Männer interessant sein?

Mein Publikum besteht aus Frauen und Männern. Grundsätzlich richten sich meine Filme an alle Menschen, die sich weigern, Sex als etwas billiges, geschmackloses und vulgäres zu sehen. Das Geschlecht ist mir vollkommen egal. Es ist doch absurd zu glauben, dass Männer und Frauen unterschiedliche Arten von Pornos mögen. Wir alle stehen doch auf ganz verschiedene Dinge. Manche Frauen interessieren sich ausschließlich für die Sexszenen in meinen Filmen, manche Männer legen dagegen vor allem Wert auf eine spannende Story.

 

Und was ist mit Paaren?

Ich finde die Vorstellung toll, dass Paare meine Filme zusammen gucken! Häufig bekomme ich E-Mails von Zuschauern, die mir für meine Filme danken. Für viele ist es anscheinend das erste Mal, dass sie Pornos zusammen mit ihrem Partner schauen können.

 

Wie offen ist unsere Gesellschaft, wenn es um Sex geht?

Sex ist in unserer Gesellschaft immer noch Tabu. Und genauso verhält es sich mit der Pornographie. Porno war immer schon etwas Dunkles und Obszönes; etwas, das man besser nur allein konsumierte. Wir leben in einer sexistischen Gesellschaft, in der es als Frau schwierig ist, offen über Sex zu reden. Doch je selbstbewusster und selbstständiger wir Frauen werden, desto offener wird auch unser Verhältnis zur Pornographie.

 

Was bedeutet der Begriff “sex-positiv” für Dich?

Vollkommene Freiheit und Leidenschaft.

 

Worum geht es in Deinen aktuellen Arbeiten? Was können die ZuschauerInnen erwarten?

Es wird demnächst ganz viele neue Projekte geben. Im Oktober 2016 habe ich einen Aufruf gestartet, für neue, talentierte Filmemacherinnen. Über 500 haben sich beworben. Meine Firma wird die Projekte mit insgesamt 250.000 Euro unterstützen. Die ersten Filme werden wahrscheinlich sogar noch in diesem Jahr veröffentlicht.

 

Vielen Dank für das Interview!

 

Wenn Du mehr über die sympathische Erika Lust und ihre erotischen Arbeiten erfahren willst, dann schau doch mal auf ihrer Facebook-Seite, auf Instagram oder auf Twitter vorbei!

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